Blaue Bilder in die man eintauchen, ein Tapisseriehäuschen in dem man allerlei entdecken kann. Nach seiner grossen Retrospektive vor 5 Jahren ist Rolf Winnewisser nun mit eigens für diese Ausstellung erarbeiteten Werken im Kunstraum Baden zu sehen.
Kunstraum Baden | WIWI.R 2013
Der Künstler
Rolf Winnewisser (geb. 1949), der bereits 1972 an der legendären documenta 5 in Kassel teilnahm, gehört zu den interessantesten und konsequentesten Künstlern seiner Generation. 2008 wurde sein Schaffen in einer Überblicksausstellung im Aargauer Kunsthaus gezeigt. Seither sind bald fünf Jahre vergangen. Zeit, ein neues Projekt mit dem in Ennetbaden wohnhaften Künstler anzureissen.
Die Ausstellung, die Rolf Winnewisser für den Kunstraum Baden konzipiert hat, heisst «WIWI.R. 2013». «WIWI.R.» ist nicht nur die Verkürzung eines langen Namens, sondern enthält – über die Verknüpfung mit dem phonetisch ähnlichen «wie wir» – auch eine Verallgemeinerung: Rolf Winnewisser versteht sich nicht als Bildautor in einem herkömmlichen Sinn, sondern fokussiert Autorschaft als Wechselwirkung zwischen Innen und Aussen. Mehr noch: der spannungsvolle Zwischenbereich, wo sich die Bezugslinien in einer Vielzahl von Schnittstellen treffen, ist das eigentliche Arbeitsfeld von Rolf Winnewisser. Wie werden Ideen zu Bildern, und in welchem Verhältnis stehen sie zur Welt? Wie nehmen wir Bilder wahr und wie geben wir dem Gesehenen eine Bedeutung? Das sind Fragen, mit denen sich Rolf Winnewisser beschäftigt.
Was ist damit gemeint? Ein Beispiel: an der hinteren Wand des «Häuschens», das den Auftakt zur Ausstellung im Kunstraum bildet, hängen zwei kleine Bilder. Auf einer gerasterten Fläche befinden sich jeweils sechs schwarze Quadrate. Was könnte das sein? Ein Set konkreter Kunst? Ein Muster zuhanden des Plättlilegers für die neue Badezimmerwand? Diese Assoziationen sind weder richtig noch falsch. In eine interessante Richtung entwickeln sich allerdings die Verkettungen, wenn man weiss, dass die zwei Gemälde Lottoscheine abbilden; Siegerscheine selbstredend. Damit geben sie ein wundervolles Bild ab für das Glück. So sieht sie also aus, die Formel, der wir alle nachhechten. Oder besser, so hat sie an einem ganz bestimmten Tag ausgesehen. Und wir haben sie schon wieder verpasst, denn der nächste Siegerschein wird ein anderes Bild abgeben. Der Schritt vom Glück zur Vergänglichkeit ist also klein.
RIAS 1949
In der Vorbereitungszeit seiner Ausstellung für den Kunstraum Baden hat Rolf Winnewisser mehrfach vom Radiosender «RIAS 1949» gesprochen. Die Sendeanlage des «Rundfunks im amerikanischen Sektor» befindet sich heute im Technikmuseum in Berlin und übt auf den Künstler eine grosse Faszination aus. Nicht nur wegen dem Jahr 1949, in dem die Sendeanlage gebaut wurde und in dem auch Rolf Winnewisser das Licht der Welt erblickte. Es ist mehr. Im grossen und komplex gebauten Kommunikationssystem findet Rolf Winnewisser eine vertraute Komponente: Die unübersichtliche Anlage entspricht in vielem der Vorstellung, die er von sich selbst hat. Rolf Winnewisser ist ein Künstler, der beides, Sender und Empfänger, sein will.
Im Laufe der Ausstellungsvorbereitungen entwickelte sich die Vorlage, der Sender «RIAS 1949», weiter zu seiner jetzige Form. Ein Haus mit einem grossen Fenster. Man könnte es als Transformator bezeichnen oder – in Anbetracht des grossformatigen Bilderpanoramas an der Wand – von der Kabine eines Operateurs sprechen. Eines ist klar: die Kammer ist ein privater Raum, in den das Publikum zwar Einblick erhält, den es allerdings nicht betreten darf. Er ist das Labor, der Gedankenraum, das Atelier, wo Winnewisser seine künstlerischen Netze spinnt. Als dreidimensionales Bild zeigt er eine reiche Sammlung an Gegenständen und Motiven. Es sind die Arbeitsmaterialien eines Künstlers, dessen Denken einem andauernden Hin und Her zwischen Bild und Idee, Konkretion und Abstraktion entspricht.
Das grosse Bildpanorama, das Winnewisser im Kunstraum wie eine Tapisserie inszeniert hat, kann man somit als aktuellen Output eines Weltensystems lesen, das – auf Abbildung und Modell verweisend – nur indirekte Aussenreferenzen hat. Rolf Winnewisser bildet nicht die Welt ab, sondern beschäftigt sich mit dem Bild der Welt. Es untersucht Bilder, seine eigenen und auch fremdes Material und verwickelt sie in Experimente. Zum Beispiel das Bildtuch, das eine afrikanische Landschaft zeigt und gleichzeitig – wie bei einer Doppelbelichtung – auch eine kristaline Form. Es ist klar: Rolf Winnewisser will uns nicht einfach eine schöne Landschaft zeigen, sondern er verwickelt uns in sein eigenes Nachdenken über die Welt und die Erinnerungen, die er von ihr in sich trägt. Und so ist es eben genau die kristaline Brechnung, die uns aus dem Bildraum und seiner sehnsuchtsvollen Weite hinaus wieder zurück katapultiert auf die Denkbank vor dem Bild. Ist das anstrengend? Nein, ein Abenteuer.