Das Gesicht kann einem bekannt vorkommen. Der Schauspieler Adrian Furrer, in Marthalen geboren, in Henggart aufgewachsen, spielte im Theater Neumarkt, in Hannover und an der Wiener Burg. Aktuell wirkt er im neusten «Tell»-Film von Luke Gasser mit. Doch jetzt hat er die Bühne gewechselt und amtiert als Pfarrer von Henggart.
Interview Adrian Furrer | TELL – JAGD AUF EWIG
- Publiziert am 15. September 2023
«Ich habe eine 80-Prozent-Stelle und habe die schauspielerische Tätigkeit mit der Kirchenpflege besprochen.»
Adrian Furrer wuchs mit fünf Geschwistern auf einem Bauernhof in Henggart auf. Der Glaube spielte in der Familie eine wichtige Rolle. Bibelstunden wurden besucht und Kirchenbesuche waren an der Sonntagsordnung. «Wir wurden bis zur Konfirmation christlich sozialisiert.»
Von Menschen und ihren Geschichten berühren lassen
Adrian Furrer, Schauspieler und Pfarrer
Interview Rolf Breiner
Adrian Furrer, es sind bereits drei, vier Jahre vergangen, seit den Dreharbeiten von Luke Gassers «Tell»-Film. Wie sind Sie zur Rolle als Walther Vürstand, eigentlich Walter Fürst von Uri, gekommen?
Adrian Furrer: Luke Gasser hat mich angefragt. Wir kannten uns von einer Preisverleihung.
Wie sind Sie mit dem Nationalhelden Tell aufgewachsen?
Als Teil der kollektiven Erzählung über die Schweiz war er auch für mich als Kind keine unwichtige Figur.
Haben Sie als Schauspieler den Schweizer Freiheitshelden schon mal auf der Bühne verkörpert?
Nein. Aber in Hannover habe ich in Schillers Drama den Ulrich Rudenz gespielt, den Neffen des alten Attinghausen.
Wie sehen Sie den Wandel Tells zur idealisierten Figur, zur Schweizer Marke?
Das ist schon komisch. Wilhelm Tell wurde vereinnahmt, verliert seine Ursprungskraft und wurde, wie Sie sagen, zur Marke des Schweizertums.
Tell – halb Fiktion, halb Wirklichkeit. Was meinen Sie?
Als Kind war für mich klar: Tell hat gelebt. Später war für mich aber die Frage, ob er eine historische Figur war, nicht mehr von Belang. Interessant fand ich dann aber, wie unterschiedlich diese Figur und dieser Stoff adaptiert werden kann. Vom Symbol für nationalkonservatives Schweizertum bis zur Galionsfigur einer linksalternativen Zeitschrift in den 1980er Jahren.
Vom Fall Tell zu Friedas Fall. Sie haben Anfang September die Dreharbeiten zu «Friedas Fall» abgeschlossen. Welche Rolle spielen sie in diesem historischen Drama?
Eine kleine Nebenrolle. Ich gehöre im Film zum bürgerlichen St. Gallen, bin Grossrat und der Zahnarzt der Hauptfigur.
Hauptberuflich sind Sie jetzt Pfarrer und besetzen die Pfarrstelle in Henggart, Ihrem Heimatort. War das ein alter Wunsch?
Pfarrer war als Jugendlicher schon mein Berufswunsch, und ich hätte wohl Theologie studiert, wenn es mit der Schauspielschule nicht geklappt hätte. Die Möglichkeit des Quereinsteigerstudiums war Anlass, mich zu immatrikulieren, mit der Idee neben dem Schauspielerischen auch im weitesten Sinn pastoral zu arbeiten an der Schnittstelle Kunst und Theater.
Was war dafür Ihr Schlüsselerlebnis?
Ein Praktikum in einer Kirchgemeinde war der Auslöser, mich damit zu beschäftigen, hauptberuflich als Pfarrer zu arbeiten, und mit dem Vikariat wurde es für mich dann klar, dass ich “umsteige”. Ein Entscheid nicht ohne Wehmut, aber mit dem Wissen, dass ich den neuen Beruf mit Überzeugung und gerne ausüben werde, ich ihn zutiefst sinnvoll finde, und dass er mir und meinen Fähigkeiten nicht fern liegt.
Wie lässt sich das kombinieren – Kirche und Kino?
Ich habe eine 80-Pozent-Stelle und habe die schauspielerische Tätigkeit mit der Kirchenpflege besprochen, Ich möchte gerne einen Fuss in diesem Beruf behalten. Mich interessiert der Dialog zwischen Kunst und Glaube. Und die Kirchenpflege konnte dem auch etwas abgewinnen – ein Pfarrer und Schauspieler.
Hätten Sie Gewissenkonflikte, wenn Sie den Teufel spielen müssten?
Ich möchte nicht für zu viel Aufsehen sorgen, und das könnte dann der Fall sein. Solche Rollen suche ich jetzt nicht. Ich möchte, wie man sagt, das Amt nicht beschädigen.
Wie schätzen Sie Ihre Aufgabe als Seelsorger ein?
Ich bin für die Menschen da, für ihre Fragen, für ihre Sorgen und Probleme, und manchmal auch für die Freuden – und ich will für jeden gleich da sein.
Ist der Schauspieler dem Pfarrer manchmal im Weg beim Gottesdienst?
Nein, im Gegenteil. Ich will keine Show machen und nehme mich manchmal fast zu sehr zurück, ich will nicht manipulieren. Es ist aber sicher von Vorteil, keine Angst zu haben, vorne zu stehen und etwas zu sagen. Wichtig ist ja, dass man grosses Interesse an der Geschichte von Menschen hat. Das ist eine Voraussetzung für beide Berufe, dass man sich von Menschen und ihren Geschichten berühren lassen kann
Die Kirchen sind meistens menschenleer. Die Kirche kämpft mit schwindenden Mitgliedern. Viele Menschen sind un-gläubig geworden. Wie kann die Kirche gegensteuern?
Die Kirche muss wissen, was ihr Zentrum ist und sich die Botschaft des Glaubens immer wieder auch selber bewusst machen. Und sie darf nicht vergessen, wie unabdingbar wichtig diese Botschaft für den Zusammenhalt einer Gesellschaft ist.
Was kann ein Gottesdienst heute leisten?
Er gibt den Menschen die Gelegenheit, zur Ruhe zu kommen. Man sollte die Räume so gestalten, dass die Leute, welche diese Räume besuchen, sich nicht fremd, sondern eingeladen und beheimatet fühlen. Der sakrale Raum kann so zu einem heilsamen Raum werden. Die Menschen sollen sich angenommen fühlen.
*Wann treten Sie wieder vor die Kamera?***
Ich habe nochmals zwei Drehtage im September für die dritte Staffel der TV-Serie «Neumatt». Da spiele ich bezeichnender Weise einen Pfarrer. In der Kellerbühne St. Gallen erfolgt Ende September die Wiederaufnahme des Stücks «Der Weibsteufel». Eine weitere Wiederaufnahme wird es mit «Tribute to Monty Python» im Zürcher Theater Rigiblick am 26. Oktober und 30. November 2023 geben.
Vielen Dank für das Gespräch