Interview Luke Gasser | TELL – JAGD AUF EWIG
- Publiziert am 15. September 2023
«Am Ende bescheinigte man uns, ein antiquiertes Frauenbild zu vermitteln.»
Er macht einfach, der Luke Gasser, allen Widerständen zum Trotz. Das imponiert zwar, verstört aber auch gleichzeitig. Im Interview lädt er seinen Frust ab über so ziemlich alle, die seinem Filmprojekt nicht wohlgesinnt waren. Ein Film-Rebell, wie der Tell, der einmal mehr den Alleingang wagt. TELL – JAGD AUF EWIG hat es dennoch fast ohne staatliche Unterstützung ins Kino geschafft.
Stellungnahme SRF:
«SRF beteiligt sich als Koproduzentin jährlich an zahlreichen Kinospielfilmen. Viele Eingaben für Fördermittel müssen aber abschlägig beantwortet werden. Die Einschätzung erfolgt durch die Fiktionsredaktion von SRF nach sachlichen und objektiven Kriterien. Abschlägige Entscheidungen werden begründet und es besteht die Möglichkeit, Filmprojekte aufgrund des Feedbacks zu überarbeiten und neu einzugeben. Dies war bei Luke Gassers «Tell»-Projekt der Fall. Leider hat auch das überarbeitete Projekt nicht zu überzeugen vermocht und SRF hat sich deshalb nicht an dem Film beteiligt.»
Baptiste Planche, Leiter Fiktion von SRF
Die neue «Tell»-Vision – Widerstände und Innerschweizer Boykott
Ein Gespräch mit Luke Gasser
Von Rolf Breiner
Er ist ein Eidgenosse von echtem Schrot und Korn: Wild, entschlossen, rigoros und unbeugsam: Wilhelm Tell oder Wilko vom Tellen, wie er im jüngsten «Tell»-Film heisst. Der Obwaldner Luke Gasser hat ähnliche Eigenschaften. Er hat das Drama «Tell – Jagd auf ewig» verfilmt – gegen alle Widerstände und geradezu ohne Unterstützung der Innerschweizer Kantone realisiert. Wir sprachen mit dem hartnäckigen Gesellen aus Obwalden.
Luke, was hat dich daran gereizt, diesen alten, verklärten Nationalhelden wieder auf die Leinwand zu holen?
Luke Gasser: Eben, weil er alt und verklärt ist. Es hat auch mit diesem Altdorfer Denkmal Tell zu tun, das sehr im Geist des späten 19. Jahrhundert verwurzelt ist. Tell ist eigentlich eine moderne Figur, ebenso seine Geschichte, auch wenn sie verstaubt scheint.
Er stand auf einem Denkmal, aber du hast ihn nicht gestürzt…
Nein. Aber Tell ist ein Mythos, und jede Zeit, jede Generation hat das Recht, ihn für sich zu interpretieren.
Dein Tell ist anders, ein radikaler Einzelgänger, ein Guerillakämpfer…
Das war er irgendwie von Anfang an. Das ist erstaunlich, weil die Schweizer das Bild vom «einig Volk von Brüdern» beschwören, wo die Solidarität gross geschrieben wird. Tell ist im Grunde genommen aber ein totaler Maverick (Anm.d.Red.: aus dem Walisischen: Aussenseiter und tapferer Held), der einen privaten Rachefeldzug unternimmt. Bereits schon im «Weissen Buch» von 1470 ist er eher ein Einzelgänger.
Was soll uns dieser Tell heute sagen?
Er steht für Freiheit und Unabhängigkeit, und beides ist selten so angegriffen worden wie jetzt. Es ist mir unerklärlich, dass Intellektuelle und solche, die sich dafür halten, dies nicht erkennen wollen. Es gibt eine schleichende Beraubung der Freiheit. Ich fürchte, die Corona-Restriktionen könnten lediglich ein Vorgeschmack darauf sein, was noch auf uns zukommen wird.
Bei der Premiere in Emmen hat Alt-Bundesrat Ueli Maurer einen Vergleich zwischen dir und Tell gezogen. Du seist ein moderner Tell, ein Kämpfer gegen die Obrigkeit. Gemeint waren die Innerschweizer Kantone, die deinen Film deiner Meinung nach nicht genügend unterstützt haben. Was ist da abgelaufen?
Das ist eine lange Geschichte. Man hat mir vorgeworfen, mein Dossier sei nicht professionell.
Du prangerst auch das Schweizer Fernsehen an.
Das ist eine weitere Groteske, die da abgelaufen ist. Mein Projekt wurde zuerst nicht einfach abgelehnt. Ich habe mein Drehbuch den Wünschen entsprechend umgeschrieben, doch es wurde trotzdem abgelehnt. Der Grund für die immer negativere Haltung ist mir völlig schleierhaft, vermutlich aber schlichte Rechthaberei. Am Ende bescheinigte man uns, ein antiquiertes Frauenbild zu vermitteln. Sämtliche Rollen seien schlecht gespielt und die Qualität des Films so lausig, dass man es auf SRF niemals zeigen werde. Wer unseren Film sieht, wird den SRF-Realitätsverlust sofort erkennen.
Zurück zu deinem Film. Am Ende wird der Jäger Tell (Tellen) zum einsamen Wolf. War es von Anfang klar, dass du selber die Hauptrolle übernimmst?
Das war überhaupt nicht klar. Ich wollte vermeiden, dass man sagt: Ich wäre so eingebildet, auch noch Tell zu sein. Der Tell sollte schon ein Innerschweizer sein, ein Deutscher sollte ihn nicht spielen. Das käme nicht gut. Die Suche hier und dort brachte nichts. Andere haben mich dann überredet, die Rolle selber zu übernehmen.
Dein Film bietet Historie und Abenteuer, Action und Legende. Wie würdest du deinen Film definieren?
Ein Drama.
Der Film ist bodenständig, sehr irdisch, obwohl es Hinweise auf Überirdisches gibt, etwa als der Weisse Hirsch auftaucht und Tells Frau Heiki die Natur beschwört…
Ich behaupte nicht, dass Heiki diesen Sturm heraufbeschwört hat, aber man kann es so interpretieren. Und der Weisse Hirsch ist ein Symbol für Kraft, die Tell innewohnt. Er ist ihm schon als Kind begegnet.
Wo fanden die Dreharbeiten 2018/19 statt?
Überwiegend in Obwalden. Da gibt s noch geile Wälder. Ausserdem in Graubünden, Innenaufnahmen in Schloss Hallwyl und in der Ostschweiz.
Dir als Musiker ist die Musik im Film wichtig. Bisweilen tönte es etwas schottisch, war der Dudelsack dabei?
Das war die Sackpfeife. Die Eidgenossen sind mit Sackpfeifen in die Schlacht gezogen. Dazu kommen im Film Leier, Schalmei und Geige. Das waren Instrumente, die dazumal gespielt wurden, auch wenn das heute irisch oder schottisch erscheinen mag.
Vielen Dank für das Gespräch