Regisseur und Musiker Stascha Bader will herausfinden, was das musikalische Erfolgsrezept von Berner Mundart-Pop ist und begibt sich auf eine berührende und nostalgische Reise durch die Geschichte der Mundartszene. Zahlreiche Grössen der Schweizer Pop- und Rockmusik kommen zu Wort, darunter Steff La Cheffe, Christine Lauterburg, Gölä, Trauffer, Greis, Baze, Serej, Poul Prügu, Stahlberger und viele mehr.
DAS GEHEIMNIS VON BERN
DAS GEHEIMNIS VON BERN | SYNOPSIS
Berner Mundart wohin man hört. Ob im Rock, Pop, Rap oder Slam: Die Berner:innen dominieren die Mundartszene der Deutschschweiz seit vielen Jahren. Was ist das Geheimnis, das sich hinter diesem Phänomen verbirgt? Der musikaffine Filmemacher Stascha Bader begibt sich auf Spurensuche nach Berns musikalischer Identität. Von Klischees ausgehend, entdeckt er prägende Volkslieder und Autoren der Vergangenheit. Was als eine musikalische Spurensuche begonnen hat, entpuppt sich zu einer Reise zu den Wurzeln unserer gemeinsamen, gesellschaftlichen Identität. Denn die Stimmen aus Bern erzählen und singen sich nicht seit Jahrzehnten, sondern seit Jahrhunderten in unser kollektives Bewusstsein.
Rezension
Von Madeleine Hirsiger
Da gibt es also den Zürcher Regisseur mit Namen Stascha Bader, der das Erfolgsgeheimnis des Berner Mundart-Rocks erforschen will. Gekleidet wie ein Detektiv in geheimer Mission, mit langem Mantel und dunklem Hut, die Schritte in der Nacht mit Hall verstärkt, alles in Schwarzweiss gedreht. Er beginnt die Geschichte mit sich selbst: In den 1980er-Jahren war er als Uni-Abgänger Gitarrist bei der Gruppe Definitiv, die damals mit anderen Bands Zürich dominierten. Dann musste er aber feststellen, dass sie es eben doch nicht gepackt hätten und alles sei bergab gegangen. Bern habe übernommen und alle musikalisch abgehängt. Dort sei es wie eine Rakete abgegangen, stellt Bader im Off-Kommentar fest. Fortan geht es also um die Ergründung des ungestümen Erfolgs von Leuten wie Kuno Lauener, Büne Huber, Steff la Cheffe, Gölä, Trauffer, Lauterburg, Polo Hofer, Anaconda, Lo & Leduc und natürlich Mani Matter, der über allem steht. Doch das Hauptthema bleibt immer der Dialekt und die Langsamkeit des Berndeutschen (wie könnte es anders sein), die Wichtigkeit der Vokale – «äuä» – bis hin zum Mattenenglisch, Giu (Bub) und Modi (Mädchen) … Dazwischen taucht immer wieder Stascha Bader auf, der sich mit solchen Beschreibungen nicht zufriedengibt, der weitersucht und in die Tiefe geht, um letztlich zur Überzeugung zu kommen, dass es doch der Dialekt ist, der die Musik so erfolgreich macht.
Von Teddy Stauffer bis Gölä
Es ist der Berner Samuel Mumenthaler, Chronist der Schweizer Musikszene, der auf die Anfänge zurückschaut: Alles begann in den 1940er-Jahren mit Teddy Stauffer, dem Swing-König, dann folgte 1959 Hazy Osterwald mit seiner Big Band und dem «Kriminal Tango» (1 Million verkaufte LP). Man erfährt: In Bern behält alles seine Gültigkeit. Später zogen Troubadoure nur mit der Gitarre und stimmigen Texten das Publikum in den Bann. Der bekannteste von ihnen ist Mani Matter, dessen Kompositionen bis zum heutigen Tag junge Musiker:innen beeinflussen. Und dann wäre da noch Gölä, der Rocker-Büezerbueb, der sehr authentisch und sympathisch rüberkommt, wenn er auf der Ladefläche seines grossen Autos die Gitarre auspackt und vor einer atemberaubenden Kulisse eines seiner Lieder preisgibt. Der Regisseur entscheidet sich dann für eine nicht ganz erschliessbare Exkursion in die Kulturgeschichte: Er greift Jeremias Gotthelf und Albrecht von Haller auf, die auch im Berner Dialekt geschrieben haben; wobei Gotthelfs Texte immer noch gelesen oder aufgeführt werden.
Zwei Schlüsselszenen
In einer Szene steht der St. Galler Mundart-Singer Manuel Stahlberger in einem Ausstellungsraum, in dem verschiedene geformte Lehmskulpturen auf Stehlen ausgestellt sind. Sie verbildlichen die Dialekte der Schweiz: Der Thurgauer Dialekt wird als Würfel dargestellt, er ist scharf und klar; das Berndeutsch ist wie ein Hügel mit zerfliessenden Seiten, so weich, wie Glace; der Walliser Dialekt wiederum steht auf verschiedenen Stehlen, weil er so unendlich vielfältig ist. Diese Verbindung von Kunst, Musik und dokumentarischer Erzählung ist eine witzige Idee. Emotional ist jedoch die Szene, in der die Musik selbst den Raum einnimmt. Die Berner Jodlerin Christine Lauterburg steht in der Halle des Berner Bahnhofs und fängt von der obersten Galerie zu singen an. Zuerst ist die Aufmerksamkeit nicht gross, bis sie das «Guggisberglied» anstimmt, unterstützt von Steff la Cheffe. Darauf kommen vier Bläser in die Halle und untermalen dieses tieftraurige Lied, als plötzlich die Post abgeht: Die Leute bleiben stehen, singen mit, tanzen, Tourist:innen machen Fotos und Videos, alle sind fröhlich und zufrieden. Was für ein Gefühl der Zusammengehörigkeit!
Fazit: DAS GEHEIMNIS VON BERN ist ein sympathischer, aber nicht vollumfänglich gelungener Versuch, den Erfolg der Berner Mundartszene zu ergründen. Stascha Bader verliert in seiner musikalischen Suche zuweilen den roten Faden. Es ist einfach Musik, die alle zusammen bringt und die Kraft des Liedes, die uns in den Kinosesseln die Tränen in die Augen schiessen lässt! Wenn das keine ausreichende Botschaft für die Mundartkunst ist! Dafür lohnt sich ein Besuch im Kino allemal.