Die Vorarlbergerin Maria Anwander weiss die Wände der berühmtesten Museen der Welt so innig zu küssen, dass sie nicht nur ein Werk in Form einer illegalen Performance hinterlässt, sondern vor allem die Hierarchien in der Kunstwelt hinterfragt.
Kunsthalle Sankt Gallen | Maria Anwander
Konzeptkunst und Feminismus
In ihrer Einzelausstellung in der Kunst Halle Sankt Gallen präsentiert Maria Anwander (*1980 in Bregenz) eine breite Auswahl zum Teil neu produzierter Arbeiten in drei Werkbereichen: Zum einen zeigt die Künstlerin verschiedene Appropriationen, die an wichtige Werke der neuesten Kunstgeschichte – insbesondere der Konzeptkunst und der Appropriation Art selbst – angelehnt sind, darunter «Fountain After Sherrie Levine» (2012). Diese Arbeit bezieht sich auf ein Werk der amerikanischen Künstlerin Sherrie Levine von 1991, einen Bronzeguss des wegweisenden Readymade von Marcel Duchamp aus dem Jahr 1917. Anwander geht mit ihrer Arbeit noch einen Schritt weiter, indem sie ein Urinal mit einem Titel versieht, der Duchamp als Schöpfer des Werks auslässt. Einige der Appropriationen Anwanders beinhalten einen subtilen feministischen Bezug zur Rezeption der Kunst von Frauen, so etwa die neue Arbeit «Leap Into The Void» (2014), für die sie die gleichnamige weltberühmte Aktion von Yves Klein in hochschwangerem Zustand nachstellte.
Kuss-Spende ans MoMa
Eine weitere in der Kunst Halle präsentierte Werkgruppe bilden Anwanders Interventionen in Museen. Dazu gehört das Video «The Kiss» (MoMA), das dokumentiert, wie die Künstlerin eine Wand im Museum of Modern Art in New York küsst und im Anschluss verbotenerweise ein Schild mit der Werkbeschreibung befestigt, in der sie ihren Kuss als Schenkung an die Museumssammlung deklariert. Weitere Beispiele sind «My Most Favourite Art» – eine Sammlung von Beschriftungen der Lieblingswerke der Künstlerin, die sie aus Museen entwendet hat – oder das Video «The Contribution» (LACMA), in dem Anwander zu sehen ist, wie sie ihren Namen einer am Eingang des Los Angeles County Museum of Art hängenden Liste prominenter Museumsförderer hinzufügt.
Ethik und Moral
Maria Anwander fordert nicht nur die Institution und ihre Konventionen heraus, sondern gerne auch die Vorstellungskraft des Publikums. So ist einer der drei Ausstellungsräume der Kunst Halle Sankt Gallen gesperrt und mit dem Hinweis versehen, dass die Kunstwerke unter Umständen nicht den ethischen Vorstellungen der Besucher entsprechen und der Raum daher geschlossen bleibe. Ähnliche Schilder mit Warnungen begegnen den Ausstellungsbesuchern immer wieder und machen deutlich, dass gewisse Werke für den institutionellen Kunstbetrieb als zu provokant oder als an der Grenze der Legalität befindlich eingeschätzt werden. Durch die Warnung wird dem Werk allerdings jegliche Kraft im Vorhinein geraubt und das Ausstellen dadurch eigentlich obsolet. Anwander greift auch direkt in den alltäglichen Betrieb der Kunst Halle Sankt Gallen ein: Das Büro mit den Mitarbeitenden ist während der gesamten Ausstellungsdauer in einen der Ausstellungsräume transferiert. Dadurch macht die Künstlerin einerseits die sonst vom Publikum kaum wahrgenommene Arbeit sichtbar, die hinter einem funktionierenden Ausstellungsbetrieb steckt. Und andererseits fordert sie die Mitarbeitenden der Kunst Halle heraus, sich und ihre Rollen in der Kunstmaschinerie zu hinterfragen.