«Padrenostro» ist autobiografisch inspiriert und wurzelt in der Geschichte Italiens, doch Regisseur Claudio Noce legt den Fokus auf so universelle wie zeitlose Themen: die Beziehung zwischen Vater und Sohn, den Blick eines Jungen auf die Welt die Erwachsenen, die Kraft der Freundschaft. Ein exzellent gemachter, am Festival von Venedig ausgezeichneter Film – atmosphärisch dicht, packend, hervorragend gespielt.
Padrenostro
Rezension
Politisch motivierte Gewalt war im Italien der 1970er und der frühen 1980er-Jahre ein fast alltägliches Phänomen. In jenen «bleiernen Jahren» mordeten, entführten und bombten linksextreme wie rechtsextreme Terroristen, rivalisierende Mafiaclans und ausser Kontrolle geratene Geheimdienste und oft war von aussen nicht erkennbar, wer warum jetzt gerade wieder gegen wen ein Attentat oder einen Mordanschlag verübt hatte. Diese Atmosphäre grösster existenzieller Verunsicherung fängt der dritte lange Spielfilm des bei uns noch nicht bekannten Regisseurs Claudio Noce in hervorragender Weise ein, ganz aus kindlicher Perspektive. In der Figur des verträumten zehnjährigen Einzelkindes Valerio, das in einem grossbürgerlichen Römer Haushalt aufwächst, verarbeitet der 1974 in Rom geborene Noce auf faszinierende Weise eigene traumatische Erinnerungen seiner frühesten Kindheit. Diese war davon geprägt, dass sein Vater, ein hoher Polizeioffizier, 1976 einen gegen ihn gerichteten Mordanschlag eines linksextremen Terrorkommandos überlebte. Wenn im Film plötzlich vor dem Haus eine wilde Schiesserei beginnt, nach der Valerios Vater, den alle nur ehrfurchtsvoll «Dottore» nennen, untertaucht und danach plötzlich wieder da ist, die Familie hastig ins Auto packt und zu Verwandten auf ein kalabresisches Landgut fährt, kann man als Zuschauer zunächst nur bruchstückhaft erahnen, was da eigentlich gespielt wird. Und es geht einem dabei ähnlich wie dem vom zwölfjährigen Mattia Garaci grossartig verkörperten Protagonisten. Wenn dann auch noch Valerios geheimnisvoller, einige Jahre älterer Freund auftaucht, eine Figur, von der man nie so genau weiss, ob sie nun real ist oder nur Valerios Fantasie entsprungen, wird das Mysterium in der grandios inszenierten kalabresischen Landschaft noch grösser – und dass uns Claudio Noce bei so konsequent auf die Spitze getriebener Verweigerung erzählerischer Eindeutigkeit das Geschehen in jedem Moment atemlos mitverfolgen lässt, das ist schon ganz beachtlich, um nicht zu sagen: grosses Kino.
Geri Krebs, arttv.ch
Zum Film
Rom, 1976. Valerios Kindheitsleben wird auf den Kopf gestellt, als er zusammen mit seiner Mutter Zeuge des Angriffs eines Terroristenkommandos auf seinen Vater Alfonso wird. Von diesem Moment an prägen Angst und ein Gefühl der Verletzlichkeit die Gefühle der ganzen Familie auf dramatische Weise. (Synopsis)
Stimmen
«Es ist vor allem das Klima einer Bedrohung, einer vom Kind gefühlten Angst und Anspannung der Erwachsenen, die «Padrenostro» prägt und manchmal in der Story etwas wenig fokussiert zur auch gespensthaften Geschichte eines jungen Heranwachsens werden lässt. Ein faszinierend rätselhafter Film, der in der Biografie des Regisseurs wurzelnd, auch ungewohnte Einblicke vermittelt in nicht aufgearbeitete, kindliche Trauma. – Irene Genhart, cineman.ch | «Eine schöne, bewegende Geschichte über eine Vater-Sohn-Beziehung mit einem meisterlich spielenden Pierfrancesco Favino.» – MyMovies | «Ein herausragend gemachter Film voller Energie.» – Variety | «Ambitioniertes Kino voller Kühnheit. Dieser autobiografisch inspirierte Film ist wie ein Tauchgang ins Unterbewusstsein des Regisseurs, bei dem man auf verschlossene Truhen stösst, die er vielleicht selbst noch nicht alle geöffnet hat.» – The Guardian | «Hervorragend inszeniert, grossartig gespielt.» – Il Giornale