Ein Neuköllner Clan-Chef will plötzlich klimaneutral werden – das ist der absurde Ausgangspunkt von #SCHWARZESCHAFE, der Fortsetzung von Oliver Rihs’ Kultfilm SCHWARZE SCHAFE aus dem Jahr 2006. Wir haben mit Rihs darüber gesprochen, wie er sein wildes Ensemble zusammengestellt hat, wie er mit der gemischten Resonanz auf den Film umgeht – und ob er den Klimawandel eigentlich ernst nimmt.
Oliver Rihs | #SCHWARZESCHAFE
- Publiziert am 21. Juli 2025
«Rund 70 Prozent lieben den Film, 10 Prozent finden ihn blöd oder langweilig – und 20 Prozent hassen ihn und regen sich furchtbar auf.»
Mit Oliver Rihs sprach Geri Krebs
Das erzählerische Zentrum von #SchwarzeSchafe bildet der Clanchef Omar. Sein Darsteller verkörpert diese Figur mit unglaublich viel Spielfreude. Wie ich gesehen habe, ist es seine erste Rolle in einem Film überhaupt. Wie haben Sie dieses schauspielerische Naturtalent gefunden?
Wir hatten für die Figur des Omar ursprünglich Kida Khodr Ramadan vorgesehen, der als libanesisch-deutscher Schauspieler ja schon in zahlreichen Kino- und Fernsehfilmen den arabischstämmigen Bösewicht verkörpert hat. Da es kurz vor Beginn unserer Dreharbeiten unsicher war, ob Ramadan eine einjährige Haftstrafe antreten muss, haben wir uns von ihm getrennt – obwohl er schliesslich nur in Halbgefangenschaft kam und tagsüber munter einen Filmdreh nach dem anderen absolvierte. Wir machten uns also rasch auf die Suche nach einem Ersatz. Dank unserer grossartigen Casterin Suse Marquardt kamen wir dann in Kontakt mit Yasin El Harrouk, einem Marokkaner, der in Berlin als Rapper in der orientalischen Community ziemlich bekannt ist.
Und die anderen Darsteller seines Clans?
Mit Ausnahme von Amer El-Erwadi, der die Rolle von Amir, Omars «rechter Hand», spielt, handelt es sich grösstenteils um Laien – Leute von der Strasse sozusagen, darunter auch einige, deren Lebensrealität nicht allzu fern von der ihrer Filmfiguren liegt. Die fanden es unglaublich lustig, dass Clanmitglieder plötzlich zu Klimaaktivisten werden sollen.
Nun ist #SCHWARZESCHAFE ein Film, der gesellschaftlich stark aufgeladene Themen wie Klimawandel, Migration oder Gendersensibilität anspricht – und dabei auch vor Brachialhumor nicht zurückschreckt, was nicht jedermanns Sache ist. Ich erlebte das kürzlich bei der Pressevorführung in Zürich, als zwei Kolleginnen nach etwa der Hälfte des Films das Kino verliessen. Deshalb die Frage: Wie kam der Film bislang in Deutschland an?
Seine Premiere hatte er Ende Juni beim Filmfest München. Es gab zwei Vorführungen – eine für die Akkreditierten und eine im Open-Air-Kino fürs grosse Publikum. Während die Reaktionen bei der ersten Vorführung eher verhalten waren, erlebten wir bei der Publikumsveranstaltung Lachstürme – und in den Tagen danach war auch die mediale Reaktion überwiegend positiv. Soweit ich es bisher beurteilen kann, sieht es etwa so aus: Rund 70 Prozent lieben den Film, 10 Prozent finden ihn blöd oder langweilig – und 20 Prozent hassen ihn und regen sich furchtbar auf. Was bei so einem Projekt auch nicht weiter verwundert – es ist klar, dass man da nicht nur Liebhaber hat.
Die Dialoge sind stellenweise zum Brüllen komisch und schrecken auch vor schwarzem Humor nicht zurück – etwa wenn in einer Szene jemand die Genderpuppenherstellerin wegen ihres längsgestreiften Overalls fragt, ob es heute im Modediscount wieder mal «Auschwitz-Wochen» gebe. Wie kommt man auf so etwas?
(lacht) Ja, wir haben ziemlich lange an den Dialogen gefeilt. Ein grosser Teil der Einfälle stammt von Ana Christina Tarpo, einer Autorin, mit der ich schon öfter zusammengearbeitet habe. Es gab aber noch vier weitere Leute, die am Drehbuch beteiligt waren. Was die von Ihnen erwähnte Passage betrifft: Wir gingen generell vom Grundsatz aus, dass wir uns nicht an die – ich nenne sie mal – «woken Gesetze» halten wollten, sondern bewusst auch Grenzen überschreiten.
Im Gegensatz zu SCHWARZE SCHAFE von 2006, das eine schwarz-weisse Low-Budget-Produktion ganz ohne öffentliche Fördermittel war, ist der neue Film ein knallbunter Spass, dem man ansieht, dass er nicht billig war. Wie sah es mit der Finanzierung aus?
Sie haben Recht. #SCHWARZESCHAFE ist in mehrfacher Hinsicht ein aufwändiges Projekt. Aber für uns war von Anfang an klar, dass wir auch diesmal unabhängig bleiben und uns nicht von einem öffentlich-rechtlichen Sender oder einem Streaming-Giganten reinreden lassen wollten. Der Film ist also ein von einer kleinen Investorengruppe finanziertes Projekt.
Während der Film von 2006 aus fünf weitgehend unabhängigen Episoden bestand, ist #SCHWARZESCHAFE eher eine durchgehend erzählte Geschichte – allerdings mit vielen aufeinanderfolgenden brachialkomödiantischen Sketcheinlagen. Wie kamen diese zustande?
Ich muss da etwas vorausschicken: Nachdem wir die Idee hatten, nochmals eine Berliner Geschichte im Geiste des Films von 2006 zu erzählen, war bald klar, dass es eine Serie werden sollte. Und diese Serie gibt es – sie enthält viel mehr Figuren und Begebenheiten als der Film. Wir drehten also zuerst die Serie und destillierten danach daraus den Kinofilm. Deshalb wirkt dieser mitunter so, wie Sie es beschrieben haben. Die Serie wird im November veröffentlicht.
Was die zentrale Thematik des Films betrifft – die Folgen des Klimawandels –, bemängeln einige Rezensenten, #SCHWARZESCHAFE beziehe hierzu keine klare Stellung. Man wisse nicht, ob der Film sich über Aktivismus gegen die Erderwärmung lustig mache oder ihn ernst nehme.
Ich möchte deutlich klarstellen: Nichts liegt uns ferner als die Leugnung des Klimawandels. Wir nehmen das Problem sehr ernst. Für den Film arbeiten wir unter anderem mit Greenpeace zusammen und verpflichten uns, einen möglichen Gewinn aus der Auswertung der Organisation zugutekommen zu lassen. Was ich aber mit dem Film sagen will: Ich finde, die Diskussionen über den persönlichen Umgang mit den Folgen des Klimawandels sind oft extrem verkrampft und grotesk. Etwa wenn es zur Glaubensfrage wird, ob man noch Fleisch essen oder auch mal nach Südamerika fliegen darf. Wir zeigen uns als sehr tollpatschig darin, diesem Problem konkret zu begegnen – und das hat für mich eine durchaus komödiantische Seite, so ernst die Lage auch ist. Das gilt für mich ebenso im Umgang mit Wokeness, Gender-Themen oder Cancel Culture. Der Film soll uns ermöglichen, uns mal für 90 Minuten etwas weniger ernst zu nehmen – und auch über uns selbst zu lachen.