Sei es als Körperschmuck, politisches Statement oder gar in der Suppe, Haare sind selbst kahlgeschoren allgegenwärtig. In Anka Schmids raffiniertem Mix von Real-, Archiv- und Trickaufnahmen erkundet ihr Animadok die behaarten Körperregionen und entdeckt im Alltag und in der Kunst das ungeheure Potential des feinsten Körperteils. Kribbeln auf dem Kopf inbegriffen.
Fantoche 2017 | «Haarig» | Animadok
In verspielt biographischer Manier erzählt die Schweizer Regisseurin Anka Schmid die haarige Geschichte ihrer Generation.
Statement von Anna Schmid zu ihrem neuen Film
«Als letzten Film realisierte ich einen Dokumentarfilm über Dompteurinnen mit Tigern, Löwen und Bären (‹WILD WOMEN – GENTLE BEASTS›). Wie gerne hätte ich das dichte Fell der schönen Tiere gestreichelt, aber dies war schlicht zu gefährlich, ja sogar tödlich. Dafür fiel meine Aufmerksamkeit auf unser menschliches Fell an Kopf und Körper und ich realisierte dessen symbolische Aufladung. Ich begann mit ersten Recherchen und Skizzen, entdeckte mehr und mehr das vielfältige Potenzial und die gestalterische Sinnlichkeit der Materie und entschied mich, diesen feinen Körperteil zu meinem nächsten Filmthema zu machen. Denn im Haar, in diesem winzigen Pars pro Toto, sind zentrale menschliche Fragen enthalten: die gesellschaftliche Dimension der Dazugehörigkeit und Abgrenzung, unser rebellisches und erotisches Potenzial, geschlechtliche Identität, Kreativität im Alltag und in der Kunst.»
Haare als Schnittstelle zwischen Natur und Kultur
Kopfhaare sind Körperschmuck und soziale Kommunikation: mit unserer Haarpracht können wir Aufmerksamkeit erhaschen, verführen, protestieren oder uns einer Gruppe zugehörig zeigen. Haare haben symbolische Kraft und jede Überschreitung ihrer Konvention ist ein politischer Akt. An den Haaren manifestieren sich Polit- und Musik-Bewegungen, biologische Geschlechtsunterschiede und gesellschaftliche Geschlechtervorstellungen, wobei Schmid nicht nur an die Kopfhaare, sondern auch an die Körperhaare und den Intimbereich denkt.
Haare liegen an der Schnittstelle von Natur und Kultur. Nicht nur die Haarnormen verändern sich mit der Zeit, ebenso verändert sich die Haarstruktur im Verlaufe unseres Lebens. Die Haare werden grau und immer weniger, ein sichtbarer Beweis unseres Alterungsprozesses, selbst wenn wir sie färben oder kahlrasieren.
Dank der Haare vollbringen wir täglich einen kreativen Akt: beim Frisieren, Rasieren, Zerzausen, Gelieren und wir entscheiden uns damit für Anpassung, Verweigerung, Provokation oder Spiel.
Haare in der Kunst
Die Aussagekraft der Haare wird in der Kunst eingesetzt. Einige dieser Schlüsselwerke hat Anna Schmid im Film integriert, weil sie sie in ihrem Werdegang geprägt haben: Zum einen haarige Werke von Künstlerinnen wie Meret Oppenheim und Cindy Sherman. Zum andern Kunst-Aktionen und Happenings wie „Bed Peace – Hair Peace“ von John Lennon und Yoko Ono, bei denen das Paar mit dem Einsatz von „Haut und Haaren“ Kunst mit Politik verbindet.