«Dida» ist der erste Langfilm des Regie-Paars, das bereits mit Kurzfilmen international Erfolge feierte. Im Zentrum steht Ilićs Mutter, Dida, die lernbehindert ist und in Belgrad lebt – betreut wird sie von ihrer Mutter, Ilićs «Baba», bei der er selbst aufgewachsen ist. Mit viel Humor und Warmherzigkeit ist ein Porträt der Generationen und zweier Kulturen entstanden, das vom Älterwerden, vom Tod, von Einsamkeit und einem speziellen Mutter-Sohn-Verhältnis erzählt. «Dida» feierte seine Weltpremie.
Dida
«Baba war der Kopf, Dida der Körper», Nikola Ilić und Corina Schwingruber Ilić sprechen über ihren sehr persönlichen Filmprozess.
Zum Film
Dida hat Lernschwierigkeiten und ist stets von ihrer Mutter abhängig. Als letztere sich nicht mehr um sie kümmern kann, muss Sohn Nikola übernehmen. Aber wie kann er seiner Mutter helfen, ihr Leben zu leben, ohne seine eigene Unabhängigkeit zu verlieren? Wie soll das gehen, wenn man nicht in der gleichen Stadt, ja nicht ein- mal im gleichen Land lebt? Nikola und seine Frau Corina organisieren ihr Leben neu, um dieser neuen Verantwortung gerecht zu werden. Während Dida den Alltag ihres Sohnes in Zürich kennenlernt, kehrt Nikola in die kleine Arbeiterwohnung in Belgrad zurück, die er verlassen hat, um sich mit Corina in der Schweiz niederzulassen. Durch die, an ein privates Tagebuch erinnernde Off-Stimme, bringt letzterer seine Zweifel und seine Gefühle unverhohlen zum Ausdruck. Die FilmemacherInnen Nikola Ilić und Corina Schwingruber Ilić vertrauen uns in einem bewegenden Familienfilm, der ein intimes Porträt von Dida und ihrer wundervollen Welt zeichnet, ihre Geschichte an. Mit einer guten Portion Humor erzählt dieser Langfilm von den prägenden Etappen im Leben eines Sohnes und seiner Mutter, die sich im Erwachsenenalter zwischen zwei Städten und zwei Kulturen neu kennenlernen.
Text: Visions du Réel, Alice Riva
Wie und wann ist die Idee für das Projekt entstanden?
Nikola Ilić: Im Jahr 2012. Als bei meiner Mutter, Dida, Krebs diagnostiziert wurde und die Ärzte ihr nur noch wenige Monate gaben. Ich wollte Dida auf Film bannen, bevor sie stirbt. Zum Teil habe ich einfach die Kamera aufs Sofa gelegt – und so gefilmt.
Corina Schwingruber Ilić: Ich wiederum war fasziniert von der Symbiose der beiden Frauen, die so lange zusammenlebten: Baba war der Kopf, Dida der Körper. Zudem habe ich bei meinen Dreharbeiten für meinen Diplomfilm «I ovo je Beograd», einen essayistischen Dokumentarfilm über das Leben und die Menschen in Belgrad, gemerkt, dass die beiden es lieben, gefilmt zu werden – was für uns alle eine Gemeinsamkeit schuf.
NI: Als dann die Diagnose sich wie durch ein Wunder in Luft auflöste, begann das eigentliche Filmprojekt, in dem auch Corina und ich ihren Platz fanden. Für mich war aber klar, dass ich nur beobachten wollte, nichts inszenieren. Das Leben sollte den Film schreiben.
Wie lange dauerte der Dreh?
CS: Letztlich waren es fast zehn Jahre und 150 Stunden Material. Eine Dramaturgie stellte sich erst im Lauf der Zeit ein – und im ständigen Austausch mit der Editorin Myriam Flury.
Es braucht viel Gelassenheit, um ein Filmprojekt über die eigene Mutter mit Messie-Tendenzen zu realisieren. Gab es Momente des Aufgebens?
NI: Oft. Immer wenn es Konflikte gab, wurde es schwierig. Die inneren Explosionen, deftige Ausbrüche – all das ist nicht im Film. Einfach, weil in diesen Momenten niemand ans Filmen denkt. Wir haben diese Konflikte dann im Schnitt mit einem Off-Kommentar in den Film gebracht.
Was war die grösste Herausforderung – immerhin ist es euer erster Langfilm?
CS: Letztlich die Geduld. Bei einem Kurzfilm geht alles viel schneller. Und auch die Co-Regie ist eine Herausforderung: Erst muss man sich zu zweit einigen, dann in Absprache mit Produktion und Schnitt. Allein das Editing dauerte zwei Jahre.
Wie geht es Dida jetzt?
NI: Sie vermisst das Filmen. Und wir freuen uns auf eine Filmvorführung mit Auftritt auf der Bühne und allem mit ihr in Belgrad.
CS: Dida stand immer etwas im Schatten der Grossmutter – durch das gemeinsame Filmen genoss Dida ihren neuen Platz im Leben von Nikola, und so ist der Film nicht zuletzt auch ihr Film.
Interview: Doris Senn