Er hasst Geburtstage, vor allem runde. Und doch will Helmut Förnbacher zu seinem 90. am 26. Januar 2026 plötzlich etwas anderes: zurückschauen, nach vorne schauen – und seine Leidenschaft für Film und Theater noch einmal mit Publikum und Medien teilen. Nach einem überstandenen Herzinfarkt und einem Leben voller Rollen, Regiearbeiten und waghalsiger Theaterprojekte ist der Basler Film- und Theatermacher so präsent wie eh und je.
Der Mann, der keine Geburtstage mag
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Ein Basler Bub mit Weltkarriere
Geboren 1936 im Basel des Zweiten Weltkriegs, wächst Helmut Förnbacher bei einer alleinerziehenden Mutter auf – und mit einem frühen Traum: Bühne, Film, Kamera. Kurz glänzt er noch in der Handball-U-Nationalmannschaft, dann gewinnt endgültig die Kunst. Nach der Schauspielschule in Wien steht er mit 19 an der legendären Basler «Komödie» bereits in seiner ersten Hauptrolle. Am Theater Basel inszeniert er Sartres «Die ehrbare Dirne» – seine erste Regiearbeit, noch keine 25 Jahre alt. Der Sprung in die Filmwelt folgt rasant: 1959 holt ihn Hollywood-Regisseur Victor Vicas für den in den Schweizer Bergen gedrehten Spielfilm «The Lost Ones – SOS Gletscherpilot». Die Tür zur grossen Leinwand steht offen.
Von Bravo-Titelblättern zu «Tatort» und «Tatort»
Es ist die Zeit, in der die TV-Familien gemeinsam vor dem Bildschirm sitzen: Serien wie «Forellenhof» oder «Rabe, Pilz und 13 Stühle» machen Förnbacher im gesamten deutschsprachigen Raum bekannt. Bis zu 250 Fanclubs und Titelbilder in Jugendzeitschriften wie Bravo gehören plötzlich zum Alltag. Filmisch zeigt er die ganze Bandbreite: vom preisgekrönten Schamonis-Film «Schonzeit für Füchse» (Silberner Bär in Berlin) über «Am grünen Strand der Spree», «Heintje – Einmal wird die Sonne wieder scheinen», «Steppenwolf» und «Jerry Cotton – Schüsse aus dem Geigenkasten» bis hin zur Rolle als Robert Kennedy in der Serie über die Kuba-Krise. Förnbacher bewegt sich selbstverständlich zwischen Unterhaltungskino, Literaturverfilmung und politischem Stoff. Und er bleibt nicht vor, sondern geht auch hinter die Kamera: Er inszeniert mehrere «Tatort»-Folgen (u. a. mit Manfred Krug), arbeitet an der ZDF-Serie «Unser Charly» mit, prägt «Grossstadtrevier» und «Polizeiruf 110». Ein Schweizer in der deutschen TV-Maschinerie – aber stets mit eigener Handschrift.
Basel bleibt Heimat – auf der Leinwand und im echten Leben
Trotz der vielen Jahre Arbeit in Deutschland reisst die Verbindung zu Basel nie ab. 1968 dreht Förnbacher seinen eigenen Spielfilm «Sommersprossen» in seiner Heimatstadt – basierend auf einer realen Basler Gangster-Story. Jahrzehnte später wird der Film vom SRF restauriert und 2025 a Festivals in Hamburg und Prag gezeigt; ein spätes, aber verdientes Comeback. Parallel dazu mischt er die Basler Kulturszene auf: Gründung des Intermediären Studios und des Studios für Musik und Theater an der Musikakademie Basel (1975), Mitwirkung bei der Eröffnung des Neubaus des Theater Basel, Rettung der Elisabethenkirche vor dem Abriss 1980, Leitung des Theaters «Vis à Vis» im legendären Atlantis, Etablierung neuer Spielorte vom Sarasinpark bis zu ungewöhnlichen Stadtorten. 1985 wird ihm für seine Verdienste um das Basler Kulturleben die «Goldene Eule» verliehen – ein Preis mit Augenzwinkern, aber grosser Aussage: Förnbacher ist aus dem kulturellen Ökosystem der Stadt nicht wegzudenken.
Ein eigenes Theater – und ein schmerzlicher Abschied
Mit seiner Frau Kristina Nel baut Helmut Förnbacher am Badischen Bahnhof Basel sein eigenes Theater auf. 25 Jahre lang ist das Förnbacher-Theater dort zuhause. Über 100 Inszenierungen – von Shakespeare bis Dürrenmatt, von Klassikern bis Komödien – holen ein breites Publikum ins Haus. Besonders junge Menschen entdecken hier zum ersten Mal, was Theater kann, wenn es mit Herzblut gemacht ist. Dann der Bruch: Die Deutsche Bahn verlängert den Mietvertrag nicht. Das Haus muss schliessen, die Bühne, die so lange Heimat war, verschwindet. Für viele wäre das der Moment, den Vorhang endgültig zu schliessen. Förnbacher aber spielt weiter – mit seiner Company als Gast im Basler Theater Fauteuil, gemeinsam mit Kristina und Tochter Sandra. Neue Inszenierungen entstehen, das Ensemble bleibt lebendig. Der Traum vom neuen festen Zuhause für die Company: noch nicht begraben, sondern in Arbeit.
Kino bis ins hohe Alter – und ein gewaltiger Schock
Auch im hohen Alter bleibt Förnbacher Teil der Schweizer Filmlandschaft. Nach frühen Auftritten etwa in «Hinter den sieben Gleisen» steht er in jüngerer Zeit in Filmen wie «Grounding», «Akte Grüninger» oder in «Youth» von Oscarpreisträger Paolo Sorrentino (an der Seite von Jane Fonda und Sir Michael Caine) vor der Kamera. Der Basler Junge hat es längst auf die ganz grossen Sets geschafft – ohne jemals seine Herkunft zu verleugnen. 2022 dann der Schock: ein Herzinfarkt. Dank schneller Hilfe der Ärzt:innen überlebt er – und spricht selber von einem «geschenkten» Leben. Vielleicht ist es auch dieser Einschnitt, der den Mann, der sein ganzes Leben lang keine Geburtstage feiern wollte, umdenken lässt.
90 – und jetzt erst recht
Am 26. Januar 2026 wird Helmut Förnbacher 90 Jahre alt. Zum ersten Mal möchte er diesen runden Geburtstag nicht ignorieren, sondern nutzen: als Anlass zum Zurückschauen – und zum Vorausblick.
Sein Leben gäbe genug Stoff für mehrere Bücher: Monatelange Reisen durch Afrika.
Ein spektakulär gescheitertes Investment in die Denner Crème, Ein Herz, das fast stehen blieb – und jetzt wieder im Takt schlägt. Ein künstlerisches Schaffen, das Bühne, Film und Fernsehen umspannt. Und trotzdem wirkt er nicht wie jemand, der abschliesst, sondern wie einer, der mitten in einem nächsten Kapitel steckt. Gemeinsam mit seiner Familie steht er weiterhin regelmässig auf der Bühne. Die Vision: ein neues Haus für seine Theatercompany. Der Antrieb: derselbe wie mit 19 – die Lust auf Geschichten, Figuren, Begegnungen.
Ein Gala-Abend und viele offene Fragen
Zu seinem 90. ist ein Gala-Abend in einem Basler Kino geplant. Dort soll nicht nur gefeiert, sondern auch erzählt, gefragt und erinnert werden: Wie überlebt man sechs Jahrzehnte im Haifischbecken Film und Theater? Wie rettet man Kirchen, eröffnet Theater, verliert Bühnen – und bleibt dabei trotzdem ein leidenschaftlicher Spieler? Und was bedeutet es, nach all dem plötzlich einen «geschenkten» Geburtstag zu feiern? Helmut Förnbacher wäre ein idealer Gast für Porträts, Gespräche und Retrospektiven – egal ob in Print, TV, Radio, Online oder Podcast. Denn hinter den vielen Rollen steckt vor allem eines: eine unverwechselbare, eigenwillige, zutiefst theaterverliebte Persönlichkeit.
Ein Leben auf, neben und hinter der Bühne – und ein 90. Geburtstag, der sich nicht wie ein Schlussapplaus, sondern wie eine weitere Premiere anfühlt.