Geschmäcker sind verschieden, das ist auch bei Filmen der Fall. Für unseren cineastischen Jahresrückblick haben wir uns deshalb für einen bewusst subjektiven Ansatz entschieden. Wir haben nicht die beste Inszenierung, die grandioseste Besetzung oder den Film mit dem grössten internationalen Erfolg gesucht, sondern unsere ganz persönlichen Kinohighlights zusammengetragen. Selbstverständlich haben es trotzdem auch grosse Titel in die Liste geschafft, so aber auch ein paar Überraschungen …
Das Kinojahr 2024
Lieblingsfilme 2024
EMILIA PÉREZ ist ein atemberaubendes, modernes Musical, ein intimes Epos über Transidentität und ein Thriller über das mexikanische Drogenmilieu, der von Anfang bis Ende mitreisst. Die Inszenierung und das Schauspiel der Darstellenden sind bemerkenswert. Jacques Audiard beweist einmal mehr sein Talent als ausserordentlich kreativer Filmemacher. – Ondine Perier
ANORA ist eine fulminante, actiongeladene und romantische Komödie über Klassengegensätze – einfach ein wahnsinnig guter Film mit einem fulminanten Mark Eidelstein. Der 22-jährige russische Schauspieler ist für mich der neue Timothée Chalamet, einfach noch ein Tick besser.» – Felix Schenker
Gleich zwei filmische «coups de cœur»: Während der Krieg in Israel tobt, fasst NO OTHER LAND die anhaltende Vertreibung der Palästinenser:innen durch jüdische Siedler:innen und Militär eindringlich in Wort und Bild – mit dem palästinensischen Aktivisten Basel Adra und dem jüdischen Journalisten Yuval Abraham. BLACK BOX DIARIES von Shiori Ito dokumentiert in ihrem grossartigen Film die Geschichte ihrer Vergewaltigung vor dem Hintergrund des patriarchalen Japan und ihren Kampf um Gerechtigkeit gegen alle politisch-gesellschaftlichen Widerstände. – Doris Senn
SHIMBHALA von Min Bahadur Bham spielt vor grandioser Himalaya-Kulisse und beschreibt die Reise einer jungen Frau auf der Suche nach ihrem Mann und eigenem Selbstverständnis. Der Spielfilm ist eine spirituelle Reise, jenseits aller Konventionen. Er beeindruckt durch seine Schlichtheit und Unerbittlichkeit. Ein Reifeprozess – Befreiung und Läuterung zugleich. – Rolf Breiner
THE SUBSTANCE wagt einen erbarmungslos ehrlichen Blick in den Spiegel und geht der Frage nach, welche Dinge «Frau» bereit ist, sich selbst anzutun. Unter der Regie von Coralie Fargeat gelingt Demi Moore ein grandioses Leinwandcomeback. Der feministische Bodyhorror wird getragen von einem klugen Drehbuch, spielt selbstbewusst mit Filmreferenzen und sprengt satirisch den Rahmen des Geschmackvollen. – Silvia Posavec
Es gibt unzählige Filme über den Horror des Naziregimes. Doch dieses Biopic über den letzten Sommer im Leben der Widerstandskämpferin Hilde Coppi (1909–1943) und ihres Mannes Hans ist anders: Regisseur Andreas Dresen schafft mit einer grossartigen Liv Lisa Fries als charismatische Protagonistin ein Periodepicture über Europas dunkelste Zeit ohne herumbrüllende Nazi-Schergen. Vielmehr birgt sich der Schrecken in IN LIEBE, EURE HILDE ganz im Atmosphärischen und setzt ihm in sommerlich lichten Bildern den Lebenswillen und die Freundschaft der jungen Leute entgegen, die als Widerstandsgruppe Rote Kapelle in die Geschichte eingingen. Und ganz beiläufig erzählt der Film auch noch eine der rührendsten Liebesgeschichten, die man in letzter Zeit im Kino gesehen hat. – Geri Krebs
ARMAND ist eine explosive Mischung aus Drama und Thriller. Der fesselnde und formal aussergewöhnlich umgesetzte Thriller setzt sich mit der Unmöglichkeit auseinander, in Konflikten aufeinander zuzugehen. Die norwegische Schauspielerin Renate Reinsve gibt eine unglaubliche Performance ab: verzweifelt, stark, verstörend, selbstsicher. Das Spielfilmdebüt des norwegischen Regisseurs Halfdan Ullmann Tøndel wurde am Filmfestival in Cannes mit der Camera d’Or ausgezeichnet. Bei uns ist er leider nicht recht auf Touren gekommen – zu Unrecht. – Madeleine Hirsiger