Nach zwei hybriden Ausgaben können Cineast:innen nun wieder in der Barockstadt an der Aare zusammenkommen, um das Schweizer Filmschaffen zu feiern. Der neue Künstlerische Leiter Niccolò Castelli verspricht ein politisch engagiertes Programm, das sich mutig und kritisch mit dem Thema Krieg beschäftigt, aber auch eine neue Generation Filmschaffender zu Wort kommen lässt. Mit der neuen morgendlichen Gesprächsreihe «Fare Cinema» soll das ‹Kinomachen› jeden Tag aufs Neue beleuchten werden.
58. Solothurner Filmtage
Solothurner Filmtage goes vegetarisch
Auf Veranstaltungen des Filmfestivals werden im 2023 nur vegetarische Leckerbissen serviert. Die Entscheidung wird mit dem gesteigerten Umweltbewusstsein begründet, auch auf Gratis-Jutetaschen wird verzichtet. Für Sammler:innen sind diese jedoch nach wie vor käuflich zu erwerben.
Fare Cinema
Utopien im Film
Von Aussteigern über Visionärinnen bis hin zu gesellschaftlichen Gegenentwürfen: Utopische Gedanken liefern immer wieder filmische Stoffe. Das Kino erzählt auf unterschiedliche Arten von den grundlegenden Widersprüchen der Zeit, in der es lebt: zwischen der Angst vor einer unveränderlichen Gegenwart und der
Utopie des Wandels. Wie zeigt der Schweizer Film die Grenzen der Gegenwart und der Zukunft zwischen Utopie und Ideologie?
19. Januar 2023 | 10:15 – 11:45 Uhr
Künstliches Licht auf die Realität
Heute ist es möglich, auf engstem Raum, im Dunkeln, auf einem rasenden Motorrad oder in einem Lift zu drehen. Das Licht im Kino hat sich verändert: Dokumentarfilm und Spielfilm rücken näher zusammen, Filmtechniker:innen sind aufgerufen, das Licht «auszuschalten» und die Schatten zu erzeugen, die das Leben erzählen. Leichte Kameras, die immer besser auf natürliches Licht reagieren, ersetzen die «Dienstlampe». Der Kreativität scheinen keine Grenzen gesetzt. Hat diese technische «Demokratisierung» zu einer Verarmung des Handwerks geführt?
20. Januar 2023 | 10:15 – 11:45 Uhr
Intimität vor der Kamera
Aufgewachsen mit einem unlimitierten Zugang zu Bildern, stellt sich die Frage, wie junge Menschen mit ihrer Intimität umgehen: Wo liegt die Grenze zwischen Fantasie und Realität? Was bedeutet es, Verbote zu übertreten in einer Zeit, die sich gerne tabufrei zeigen würde – oder ist sie nicht doch stärker eingeschränkt als früher? Was steckt hinter der Inszenierung einer intimen Situation auf der Leinwand? Welche ethischen Fragen wirft dies in der Schauspieler:innenführung auf?
21. Januar 2023 | 10:15 – 11:45 Uhr
Film in Kriegszeiten, heute
Das Grauen des Krieges: Können Filme das Unerzählbare erzählen? Das Schweizer Kino tut dies mit Mut, indem es tief in die Vergangenheit vordringt, zu den Quellen der heutigen Konflikte, zu den vergessenen Orten der Zukunft. Um die Wahrheiten des Grauens zu finden, entfernt sich das Kino von der Chronik und begibt sich ins Leben.
22. Januar 2023 | 10:15 – 11:45 Uhr
Die nächste Episode der Fernsehproduktionen
Die Entwicklung der letzten Jahre hat gezeigt, dass immer mehr Spielfilmserien zuhause auf den Bildschirmen laufen. Welche Rolle spielen die Dokumentarserien, die weniger im Fokus stehen? Sind klassische Fernsehdramen für immer verschwunden? Sind die Showrunner und Produzent:innen die Regisseur:innen von heute?
23. Januar 2023 | 10:15 – 11:45 Uhr
Generation Diaspora, im Ausland zuhause
Junge Filmemacher:innen von heute gehören zur ersten Generation, die nach der Emigration ihrer Eltern geboren wurden. Viele Filme entstehen, in denen sich die in der Schweiz geborenen Kinder von Einwanderereltern auf die Suche nach ihren Verwandten und Wurzeln machen, um ihre eigene Identität zu finden. Der Film scheint ein ideales Medium für diese Suche zu sein, angetrieben vom Wunsch, sich zuhause zu fühlen, hier oder anderswo.
24. Januar 2023 | 10:15 – 11:45 Uhr
Mutig und unkonventionell
642 Filme wurden für die 58. Solothurner Filmtage eingereicht, 217 selektioniert. «Besonders auffallend in diesem Jahr sind die hohe Anzahl Spielfilme, Filme über starke Frauenfiguren und insbesondere auch Filme mit mutigen und unkonventionellen Erzählweisen» so Niccolò Castelli, Künstlerischer Leiter der Solothurner Filmtage. Und: Es sind nicht nur Filme mit grossen Budgets, die es dieses Jahr in die Preiskategorien schafften. Stellvertretend für eine Vielzahl von Filmen, die den Krieg und damit auch den Kampf für Menschenrechte und Demokratie in den Fokus rücken, ist der Eröffnungsfilm «This Kind Of Hope».
Starke Dokumentarfilme
In der Preiskategorie «Prix de Soleure», mit 60’000 Franken der höchstdotierte Filmpreis der Schweiz,
sind dieses Jahr sieben Filme nominiert worden. Darunter auch «This Kind Of Hope». In den fünf Dokumentar- und zwei Spielfilmen werden des Weiteren Themen behandelt wie der generationenübergreifende Kampf von Frauen gegen patriarchalische Verbote («Big Little Women»), Erinnerungen der jungen Generation an den Krieg im Kosovo («The Land Within») oder Umweltthemen wie etwa die Frage, was ein invasives Insekt alles auslösen kann («Until Branches Bend»). Der «Prix de Soleure» steht für Filme, die durch ihren ausgeprägten Humanismus überzeugen.
Ausgezeichnete Erstlingswerke
Bereits im dritten Jahr etabliert hat sich der Filmpreis «Opera Prima», der für Erstlingswerke im Langfilmbereich vergeben wird. Die vier Spiel- und drei Dokumentarfilme handeln etwa von Zweifel und Verlangen in der Beziehung («Peripheric Love»); der Beziehung zwischen Vater und Sohn («Réduit»); dem Wunsch nach einer besseren Zukunft («Theory Of Change»); dem Ausgraben von Landminen («The Deminers») oder der anerzogenen Überzeugung und deren Hinterfragen («Polish Prayers»). Im Mittelpunkt dieser jungen Autor:innen steht die Beziehung – sozial, intim und politisch – so, als ob wir nach der Pandemie einen neuen Kompass zwischen uns und anderen finden müssten.
Das Publikum als Jury
Vier Spiel- und vier Dokumentarfilme werden im «PRIX DU PUBLIC» gezeigt, derjenigen Preiskategorie, in welcher das Publikum die Jury sein wird. Der «PRIX DU PUBLIC» ist mit 20’000 Franken dotiert und wird von der Hauptsponsorin Swiss Life zusammen mit den Solothurner Filmtagen gestiftet. Gezeigt werden sechs Premieren, darunter zu finden sind «I Giacometti», ein Film, welcher der Frage nachgeht, weshalb ausgerechnet das schroffe Bergell eine Künstlerdynastie hervorbrachte; «Amine – Held auf Bewährung», ein Film über einen Mann, der als Asylbewerber Menschen hilft, die noch weniger haben als er oder «The Mies van der Rohes», die Geschichte des weltberühmten Architekten und die Rollen seiner Frau und seiner Töchter.
Über den Film reden
Neu an den Solothurner Filmtagen ist die morgendliche Gesprächsreihe «Fare Cinema» (Filme machen). Fokus dieser Gespräche ist für einmal nicht der Film als Ganzes, sondern ein bestimmter Aspekt des Filmeschaffens. So finden bei Cappuccino und Gipfeli zum Beispiel Diskussionen statt über den Einsatz von Licht beim Filmen, Intimität vor der Kamera, Filme in Kriegszeiten oder über die Generation Diaspora und die Frage, wie junge Secondas und Secondos ihre eigene Perspektive als Filmemacher:innen einbringen. Die Gesprächsreihe findet jeden Morgen im Saal des Restaurant Kreuz statt, moderiert wird sie vom Künstlerischen Leiter Niccolò Castelli. (Text: Solothurner Filmtage)