Die Sängerin Simone Felber arbeitet in zahlreichen Projekten daran, die Schweizer Volksmusik gegenwartstauglich zu machen. Mit dem ihr zugesprochenen «Get Going!»-Beitrag der FONDATION SUISA will sie nun auch den Totentanz zu neuem Leben erwecken und uns aus dem «lähmende Gefühl, das uns angesichts des Todes überfällt» herausführen.
Simone Felber geht mit ihrer Stimme voran und entwickelt neue Jodellieder
Volksmusik und das Unperfekte
Sie ist spät zur Volksmusik gekommen. Eigentlich erst während ihres Studiums an der Hochschule Musik – Luzern. Dort traf Simone Felber auf den Schwyzerörgeler Adrian Würsch und den Bassisten Pirmin Huber, mit denen sie heute das Trio «Simone Felbers iheimisch» bildet. Zuvor war sie mehrheitlich in der klassischen Musik tätig, vor allem ihr Mitwirken im Chor molto cantabile, der sich der zeitgenössischen Musik widmet, hat sie geprägt. Als Städterin, die die Natur liebt, entdeckte die Luzernerin in der Volksmusik etwas, das ihr ganz persönlich entgegenkam: «Wir streben in der Musik stets nach Perfektion. Doch während es in der Klassik um die perfekte Vorstellung von Klang geht, eröffnet der Jazz und die Volksmusik einem die Gelegenheit, seinen ganz eigenen Klang zu finden.»
Musik als Spiegel der Zeit
Dieser eigene Klang manifestiert sich neben dem Trio «Simone Felbers heimisch» auch in zahlreichen anderen Projekten, so etwa im Frauen-Quartett «famm» oder als Chorleiterin des Chores «Echo vom Eierstock». Es geht der ausgebildeten Mezzosopranistin also nicht bloss darum, im nonverbalen Gesang und im Jodel einen ganz und gar zeitgemässen Ausdruck zu finden, sondern als 30-Jährige auch eine Haltung auszudrücken,
die ihrer Generation entspricht. Die Schweiz von heute ist multikulturell, urban und sie steht vor gesellschaftlichen, sozialen, politischen Problemen, während sich gleichzeitig die Natur aufbäumt und die Orte des volkstümlichen Ursprungs klimatisch herausfordert. Felber will mit ihrer Musik ein Spiegel sein zu alldem, während sie die Volksmusik verdächtigt, sich zu oft dem Alltag zu entziehen. «Volksmusik erinnert mich bisweilen an eine Hochglanzbroschüre», sagt sie und fügt an: «Ich dagegen bevorzuge Recycling-Papier.»
Musikalische Heimatbilder
Gemeinsam mit dem Jazzpianisten Lukas Gernet hat sie sich zu ihrem jüngsten Projekt «hedi drescht» zusammengefunden. Dort gehen sie gemeinsam der Frage nach «Was ist Heimat?» und vertonen ihre Bilder mit einem stilistischen Kaleidoskop zwischen Klassik, Jodel und Jazz. Auf der Bühne wird die Liedersammlung «äinigermasse dehäi» zu einer interdisziplinären audiovisuellen Performance in Zusammenarbeit mit dem Theaterkollektiv Fetter Vetter & Oma Hommage, dem Videokünstler Jules Claude Gisler und dem Theatermacher Stephan Q. Eberhard.
Der Akt des Totentanzes
Für ihr «Get Going!»-Projekt geht Felber nun noch einen Schritt weiter und befasst sich mit dem Tod, der in jüngster Vergangenheit durch den Verlust nahestehender Menschen ganz nah an sie herangetreten ist. Dabei fasziniert sie besonders der Akt des Totentanzes. Doch wer tanzt diesen Tanz? In der Volksmusik existiert das «Tänzli»: Tanzen da die Lebenden, ohne einen Gedanken an den Tod zu verlieren oder um das Leben vor dem Tod zu feiern? Oder ist es der Tod, der tanzt, wie auf den barocken Motiven, die in Felbers Heimatstadt Luzern auf der Spreuerbrücke zu bewundern sind? Oder gar der Todgeweihte, der tanzend seine Reise in eine andere Welt begeht? Felber beschäftigt sich seit längerer Zeit mit diesen Fragen. «In vielen Kulturen ist das Leben und der Tod ein zirkulärer Vorgang, während wir unsere Existenz als lineares Ereignis betrachten», erklärt sie. «Ich möchte, dass das lähmende Gefühl, das uns angesichts des Todes überfällt, in einer Bewegung mündet, die uns wieder herausführen kann.» Wie dies am Ende aussehen wird, weiss sie im Detail noch nicht. «Ich stelle mir aber eher eine klangvisuelle Installation vor, die es erlaubt, dass die Menschen in einem intimen Rahmen sich ganz individuell mit dem Thema konfrontieren lassen können.» Der «Get Going!»-Beitrag – unterstreicht sie – gebe ihr die Freiheit und die Sicherheit dieses Projekt nun ohne Stress und ohne allzu grosse Kompromisse Realität werden zu lassen.
Text: Rudolf Amstutz