Lucerne Festival | András Schiff and Friends
- Publiziert am 4. Januar 2021
Musik wie aus einem Geist und Guss!
Er gehört zu den prominentesten Gesichtern von Lucerne Festival: der Pianist Sir András Schiff, der seit 1990, seit mehr als dreissig Jahren also, für immer neue Höhepunkte im Programm sorgt. Da er obendrein einer der vielseitigsten seiner Zunft ist und als Solist, als Kammervirtuose und auch als Dirigent begeistert, präsentiert er sich bei seinem musikalischen Wochenende im Frühjahr 2021 als Musiker ohne Grenzen.
Miteinander atmen
Zusammen mit seiner Cappella Andrea Barca, in der er befreundete Instrumentalisten zu einem hochkarätigen Orchester vereint hat, interpretiert er Klavierkonzerte von Wolfgang Amadé Mozart und Johann Sebastian Bach. Dabei zelebriert er die hohe Kunst des Miteinanders, des gleichberechtigten, gemeinschaftlichen Musizierens, denn András Schiff verzichtet auf jegliche Attitüden eines Pultstars und versteht auch diese Werke als erweiterte Kammermusik. Eine «Stabführung», so ist er überzeugt, brauche es nicht, um sie adäquat darzubieten. Es geht ihm darum, dass die Mitwirkenden genau aufeinander hören, dass sie miteinander atmen und phrasieren – und schon erklingt die Musik wie aus einem Geist und Guss. Am Eröffnungsabend aber widmet sich András Schiff mit Franz Schubert, einem dritten seiner Lieblingskomponisten und schlüpf bei einer «Schubertiade» in die Rolle des Liedbegleiters.
Eine kleine Schubertiade
So viel steht fest: Franz Schubert zählt zu den bedeutendsten Komponisten in der Musikgeschichte. Zu seinen Lebzeiten hätte freilich kaum einer dieses Urteil gefällt. Als Schubert 1828 im Alter von nur 31 Jahren starb, lag erst ein Achtel seines Schaffens im Druck vor. Und da die Liedkunst mit rund 600 Vertonungen im Zentrum seines Œuvres steht, musste er obendrein mit dem Ruf leben, ein Meister für die kleinen Formen und die Hausmusik zu sein. Kein Wunder, dass Schuberts Werke zunächst vor allem im privaten Rahmen erklangen. 1821, vor genau 200 Jahren, fanden im Freundeskreis die ersten Schubertiaden statt. Die geselligen musikalischen Zusammenkünfte verstetigten sich und stiegen zu einer festen Institution auf, die auch nach Schuberts Tod mit hochrangigen Interpreten und weit über Wien hinaus fortlebte. András Schiff begibt sich zur Eröffnung seines musikalischen Wochenendes auf eine Zeitreise in Schuberts Welt und präsentiert mit befreundeten Sängerinnen und Sängern seine eigene Schubertiade.
Das Jeunehomme-Konzert
Bei Wolfgang Amadé Mozart sind András Schiff und die Cappella Andrea Barca ganz in ihrem Element. Denn Schiff gründete sein «Hausorchester» im Jahr 1999 mit dem Ziel, sämtliche Klavierkonzerte des Komponisten bei der Salzburger Mozartwoche aufzuführen. Zwei der schönsten hat er nun für seine Luzerner Residenz ausgewählt. Da wäre zunächst das monumentale Es-Dur-Konzert KV 271, das der 21-jährige Mozart für die französische Pianistin Louise Victoire Jenamy schuf. Da die Mozarts es mit der Schreibweise der Virtuosin nicht so genau nahmen, geisterte ihr Name wechselweise als «Madame Jenomè», «Madame Genomaj» oder schlichtweg «die jenomy» durch die Familienkorrespondenz. Was schliesslich zum verballhornten Titel Jeunehomme-Konzert führte, der lange gebräuchlich war. In der Tat liesse sich das Werk auch als ein Selbstporträt des Komponisten als junger Mann deuten – so subjektiv und bekenntnishaft klingt diese Musik. Sieben Jahre später schrieb Mozart das komödiantische G-Dur-Konzert KV 453 für seine hochbegabte Schülerin Babette Ployer. Das Rondothema, das Mozart fürs Finale erfand, erwies sich als so eingängig, dass selbst sein Vogel, ein Star, es mühelos nachpfeifen konnte.
Musikalisches Glück
Johann Sebastian Bach: Wer denkt da nicht an Kantaten und Passionen, an tönendes Gotteslob, «Soli Deo Gloria»? Doch der «fünfte Evangelist», wie Albert Schweitzer den legendären Thomaskantor nannte, war nicht allein auf Kirchenmusik geeicht. Ab 1729 präsentierte Bach allwöchentlich mit Privatschülern, Studenten der Universität, Stadtpfeifern und befreundeten Virtuosen Kammermusik oder grössere Instrumentalwerke – und das in einem Leipziger Kaffeehaus! Da er selbst ein vielbewunderter Meister auf den Tasteninstrumenten war, erfand Bach ganz nebenbei ein neues Genre, das bald einen ungeahnten Aufschwung nehmen sollte: das Klavierkonzert. Mit der Abschlussmatinee seines musikalischen Wochenendes führt uns András Schiff zu den Wurzeln der Gattung – und erweist jenem Komponisten die Ehre, den er für «den grössten und wichtigsten» hält. Tatsächlich bieten Bachs «Klavier-»konzerte alles, was das Herz begehrt: rasante Virtuosität und rhythmischen Drive, kunstvollen Kontrapunkt und gewagte Harmonien, aber auch eingängige Melodien und Oasen der Ruhe. Man höre nur das unvergleichliche «Largo» aus dem f-Moll-Konzert BWV 1056: der Inbegriff musikalischen Glücks.
Text: Lucerne Festival