Sam Pulitzer untersucht in mit (pop-)kulturellen Referenzen gespickten Bildern die Neoliberalisierung des Alltags und der Kunst. In einer konzeptuellen Tradition sind seine text-, zeichnungs- und fotografiebasierten Arbeiten stets Selbstbefragungen. Wie funktioniert Autorschaft in der Kunst? In welchem Verhältnis stehen Fiktionen und Fakten? Für die Ausstellung in Glarus, mit der das von Hans Leuzinger gebaute Kunsthaus nach der Sanierung wiedereröffnet, wird er eigens neue Arbeiten entwickeln.
Kunsthaus Glarus | Sam Pulitzer
Zynisch und gleich pathetisch ist seine Rhetorik. Sam Pulitzer befasst sich mit der «Vermarktung» der uns umgebenden politischen und sozialen Welt.
Gerichtete Fragen
«Kannst du dir dich selbst leisten?» «Wartest du auf einen Moment, der nicht kommen wird?» Sam Pulitzer spricht uns, die Betrachter*innen, mit seiner Serie von Fotografien, die
im Zentrum der Ausstellung im Kunsthaus Glarus steht, direkt an. Nebst einigen generischen, unspezifischen Landschaften und Stadtansichten zeigen die Bilder Details alltäglicher Dinge oder Orte: einen Blumenstrauss, ein heruntergekommenes Ladenlokal, ein Hinweisschild, frisch gebackenes Brot. Diese distanziert-langweiligen und doch verführerischen Motive dienen wortwörtlich als Bildgrund für die Fragen, die der Künstler stellt. An wen richten sie sich? Wollen sie uns, das Publikum, oder uns die Künstler*innen und Interessierten auf eine Haltung prüfen oder sind sie eine Selbstbefragung?
Das unscharfe «Wir»
Wenn wir glauben eine*n Adressat*in oder eine eindeutig kritische Position ausgemacht zu haben, so führt uns die nächste Frage womöglich gleich wieder in eine andere Richtung. Die aneinander gereihten Fragen, die Gemeinplätze der Beziehung zwischen Individuum und Gesellschaft, zwischen Leben und Arbeit ins Spiel bringen, schaffen vermeintliche Intimität. Sie handeln von möglicher Individualität. Was führen wir und was führt ihr
für ein Leben? Wie können wir es optimieren und in welche Richtung wollen wir es verbessern? «The Premise of a
Better Life» richtet sich auch nach innen; nicht nur auf Sam Pulitzer als Person, sondern auf ein unscharfes «Wir», das jeden meinen könnte. Unter welchen materiellen und politischen Bedingungen arbeiten Künstlerinnen und Künstler heute? Was bedeutet künstlerische Autor*innenschaft?
Subtile Distanz
Die Fotografien porträtieren fast ausnahmslos New York. Die gesichtslosen, nur ganz selten lokalisierbaren Bilder wollen die Stadt nicht dokumentieren, sondern zeigen New York
als «gesunkenen Horizont», Abglanz einer Modellstadt, Anziehungspunkt und Sehnsuchtsort. Einzigartig und
doch vorbildhaft. Obwohl Sam Pulitzer in seinen Werken immer geschriebene Sprache benutzt sowie mit Zitaten
aus Literatur und Popkultur arbeitet und damit auf den ersten Blick eine Zugänglichkeit respektive Lesbarkeit suggeriert, so ist seine direkte Ansprache an das Publikum oftmals verschlüsselt. Die Autorschaft, wie auch potenzielle Leserschaft der Texte bleibt unklar. Manche Quellen werden entschlüsselt, andere bewusst verborgen gehalten. Immer wieder geht es in den Arbeiten von Sam Pulitzer um Distanz, um formale Reduktion, Lücken und Leerstellen, die einem (visuellen) Versprechen entgegengesetzt werden.