Zwei ganz unterschiedliche künstlerische Positionen vereint die Ausstellung der Kunsthalle St.Gallen: Die abstrakten Malereien von Nora Steiner entwickeln ihre Kraft aus den grossen Formaten, während sich Anna Witt ihren Themen in Videoarbeiten annähert, die dokumentarische Mittel nutzen.
Kunsthalle St.Gallen I Nora Steiner, Anna Witt
Der Blick ins Weite
In ihrer Arbeit «Totale» vereint Nora Steiner sieben grossformatige Malereien in einem Raum. Wie der aus der Filmsprache entlehnte Titel es beschreibt, ermöglicht die grosse Halle eine Übersicht, welche die einzelnen Bilder dieses Werkzyklus in Beziehung zueinander setzt. Die Künstlerin malt in dünnen, farbigen Schichten in altmeisterlicher Lasurtechnik nach Rezepten aus der Renaissance auf einen Kreidegrund. Langsam verdichten sich die Farbschichten, die Bewegung vom hellen Grund zur dunklen Schicht verleiht den Bildern eine räumliche Tiefe, dabei die Themen Inhalt und Inhaltslosigkeit, Dichte und Leere umkreisend.
Die Macht der Worte
Neben Fotografie- und Textelementen benutzt Anna Witt hauptsächlich das Medium Video. Etwa in einer speziell für diese Ausstellung in Kooperation mit dem Debattierclub der Universität St.Gallen entwickelten Arbeit: Drei junge Studenten beweisen ihre rhetorischen Fähigkeiten, indem sie zum Thema Wahrheit referieren. Das streng komponierte Setting verleiht ihren Reden einen performativen Charakter. In der Arbeit «Durch Wände gehen» spielt Sprache eine ganz andere Rolle: Ein nach Sachsen geflüchteter Syrer und eine aus der ehemaligen DDR geflüchtete Deutsche nähern sich durch das Erzählen ihrer Geschichte sowohl der eigenen wie auch der Biografie des anderen an. In der Arbeit «Gemeinschaft ohne Eigenschaften» schliesslich beobachtet die Künstlerin eine zufällig in einem Raum versammelte Gruppe und das Verhalten der Beteiligten in dieser erzwungenen Gemeinschaft auf Zeit.