Stell dir vor: Jeder Buchstabe auf einem Plakat — handverlesen, geschnitzt, aus Holz. Die Ausstellung HOLZTYPEN im Museum im Bellpark macht genau das erlebbar. Zwischen originalen Holzlettern und alten Musterbüchern öffnet sich ein Fenster in eine vergangene Welt typografischer Handwerkskunst — visuell, haptisch und historisch.
Holzbuchstaben und Schriftgeschichte
Eine Reise in eine Zeit, in der am Anfang eines gedruckten Buchstabens noch ein Stück Holz stand.
Von der Säge zur Druckerei: Die Holztypenfabrik Roman Scherer Holztypenfabrik
Gegründet 1877 in Luzern, verlegte die Fabrik Anfang der 1890er-Jahre ihren Sitz nach Kriens und spezialisierte sich auf Holzbuchstaben für Plakate und Grossformate. Holz war leichter und günstiger als Metall — ideal für grosse Schriftgrössen, die mit Bleilettern kaum wirtschaftlich herstellbar waren. Die Schriften waren bald weit mehr als regionales Handwerk: Kunden kauften sie von Deutschland über Frankreich bis Russland. Um 1900 produzierte die Fabrik bis zu 50 000 Buchstaben pro Monat — ein beeindruckendes Volumen für handgefertigte Lettern. Doch mit dem Aufkommen neuer Drucktechnologien wie Offsetdruck in den 1960er-Jahren wurde Holztype zunehmend obsolet. 1966 verkaufte die Fabrik ihre Produktion an die Haas’sche Schriftgiesserei in Basel — und eine Ära ging zu Ende.
Warum Holzletter faszinieren — damals wie heute
Holztypen boten entscheidende Vorteile: Sie waren leichter, billiger und erlaubten grosse Zeichenhöhen — perfekt für Poster, Theater- oder Werbeschilder. Mit der Entwicklung mechanisierter Herstellungsmethoden im 19. Jahrhundert (z. B. Router und Pantograph) konnten Holzlettern massenhaft reproduziert werden — und eröffneten eine neue Freiheit in der Schriftgestaltung. Die Vielfalt der damals gefertigten Schriften ist verblüffend: Von klaren, einfachen Groteskschriften bis zu expressiven Plakatfonts — alles war möglich. Die ausgestellten Musterbücher zeigen eindrücklich: Schrift war nicht nur Funktion, sondern auch visuelles Statement.
Die Ausstellung als Brücke zwischen Vergangenem und Heute
Heute, in einer Zeit, in der Schrift meist digital erzeugt wird, wirkt Holztype wie Nostalgie — und doch ist ihre Wirkung frisch: Die Ausstellung HOLZTYPEN lädt ein, Schrift als Material zu begreifen. Die Tasten- und Bildschirmwelten, die unsere Typografie dominieren, wirken plötzlich abstrakt — echte Holzlettern hingegen erzählen Geschichten von Handwerk, Economy und Gestaltung. Für Designer:innen, Typografie-Fans und alle, die wissen wollen, woher unsere Schriften kommen: HOLZTYPEN ist eine kleine Zeitmaschine in eine Ära, in der ein Buchstabe noch greifbar war.