Sein Fotoband «Begegnungen» aus dem Jahre 1979 ist längst vergriffen. Nun präsentiert die Fotostiftung Schweiz Originalvergrösserungen aus der Maquette des Buches.
Fotostiftung Schweiz, Passage | Werner Gadliger
- Publiziert am 16. September 2016
Unscheinbare Szenen aus dem bunten Theater des Lebens sind das, was den Zürcher Fotografen Werner Gadliger seit jeher interessieren.
Jeder Mensch ein Hauptdarsteller
Werner Gadliger (geb. 1950) ist zwar ausgebildeter Fotograf, arbeitete aber nur kurze Zeit in seinem Beruf: eineinhalb Jahre bei der Schweizerischen Verkehrszentrale und vier Jahre als Helikopterfotograf. Schnell wurde ihm klar, dass das Fotografieren auf Bestellung nichts für ihn ist. Er zog es vor, seinen Lebensunterhalt mit anderen Jobs zu verdienen. Daneben fotografierte er jedoch weiter, völlig unabhängig, nur seiner eigenen Inspiration folgend. Er machte sich mit Künstlerporträts einen Namen und produzierte mehrere Bücher. Menschen am Rand der Gesellschaft und die Vergänglichkeit des Lebens sind Themen, mit denen sich Gadliger seit dem Beginn seiner freien Tätigkeit auseinandersetzt. So erstaunt es nicht, dass er zu seinem ersten Buch Fotografien (1977) mit Aufnahmen von Menschen auf der Strasse schreibt: «Die Bilder stellen für mich Bühnenaufnahmen aus dem grossen Theater des Lebens dar; jeder Mensch ein Hauptdarsteller.»
Aussenseiter und sonstige schräge Vögel
Dasselbe gilt auch für sein zweites Buch Begegnungen, das er im Eigenverlag in einer Auflage von eintausend Exemplaren herausgibt. Im Gegensatz zum ersten, das vor allem von Einzelbildern lebt, stellt er nun kleine Bildgeschichten zusammen, ordentlich in Viererblöcken auf Doppelseiten arrangiert: auf den ersten Blick unscheinbare Szenen, aufgeführt von Aussenseitern oder sonstigen schrägen Vögeln, denen Gadliger in der Schweiz und auf seinen Reisen durch halb Europa begegnete – von Schaufensterpuppen und posierenden Punks über Strassenmusiker, Bettler, Trinker bis zu schlafenden Männern in einem Warteraum und einem kranken Mann im Spital. Dazwischen ein Hare-Krishna-Umzug und der Auftritt einer «Aktionsgruppe zur Befreiung der Gesellschaft durch Käfige». Gegen Ende eine Beerdigung und ein Heilsprediger im Speaker’s Corner im Londoner Hyde Park. Ganz am Schluss des Buches, nach einer Gruppe surrealer Zeichnungen, ein paar Luftaufnahmen. Wahrlich ein Theater des Lebens – nicht ohne gesellschaftskritischen Unterton. (Martin Gasser)