Rune Denstadt Langlo wählt das Genre der Komödie, um ein so ernstes Thema wie die Flüchtlingskrise zu behandeln. Warum er das tut, und warum er ein grosser Fan von Komödien ist, verrät der norwegische Regisseur im arttv-Interview.
Welcome to Norway | Interview mit Regisseur Rune Denstad Langlo
- Publiziert am 28. November 2016
Ist es nicht etwas gewagt, mitten in der aktuellen Flüchtlingskrise eine Komödie zum Thema zu drehen?
Je tragischer ein Thema ist, desto mehr Potenzial hat es für eine Komödie! Weil die Art zu lachen dann anders ist, wenn es eigentlich nicht erlaubt wäre. Roberto Benigni ist ein gutes Beispiel für diese Art von Humor, die bei uns im Norden wohl mehr verbreitet ist: der absurde Humor. Die Welt ist für mich ein komischer und seltsamer Ort. Eine der ersten Szenen von «Welcome to Norway» ist ein gutes Beispiel dafür. Sie handelt von der Schwierigkeit, Menschen aus unterschiedlichen Krisengebieten der Welt auf die Zweierzimmer der Unterkunft zu verteilen: Der koptische Christ will das Zimmer nicht mit einem Muslim teilen, und selbst unter den Muslimen herrscht nicht unbedingt Eintracht. Es gibt die schiitischen und die sunnitischen Muslime – unmöglich beide im gleichen Zimmer einzuquartieren. Nicht nur die Menschen in Europa verhalten sich fremdenfeindlich gegenüber Flüchtlingen, auch die unterschiedlichen Flüchtlingsgruppen unter sich sind fremdenfeindlich.
Die meisten Ihrer Darsteller sind tatsächlich Flüchtlinge, die viel erlebt haben. War es einfach, sie für diesen Film zu gewinnen?
Der Andrang war riesig. Hunderfünfzig haben sich bei uns zum Cast gemeldet. Leider konnten wir im Film bloss fünfzig Leute unterbringen. Ich habe während des Drehs tatsächlich viele schreckliche Geschichten zu hören bekommen. Viele waren darum glücklich, endlich einmal etwas anderes machen zu dürfen – in ihrem Leben einen Schritt weiterzukommen.
Schwierigkeiten gab es keine?
Die ersten Tage auf dem Set entpuppten sich als äusserst mühsam, da wir weitgehend chronologisch drehten. Schwierig war die Situation vor allem für mich als Regisseur sowie wie für den Hauptdarsteller Anders Baasmo Christiansen, der am Anfang des Filmes ja den Schweinekerl spielen muss, der als Hotelbesitzer die Flüchtlinge ohne jedes Mitgefühl anschreit und herumdirigiert. Wir waren beide sehr betroffen, als wir die erschrockenen Gesichter der Flüchtlinge sahen. Obwohl wir im Vorfeld das Skript allen zum Lesen gegeben hatten, merkten wir, dass die meisten keine Ahnung hatten von der Story. Leider konnten wir diese nicht in vierzehn Sprachen übersetzen lassen. Es war deshalb sehr wichtig, die Männer und Frauen nach dieser Szene zu umarmen, um ihnen verständlich zu machen, dass wir im realen Leben anders sind, und dass sich auch der Hotelbesitzer im Laufe des Filmes charakterlich ändern würde.
Und welches war Ihr schönstes Erlebnis?
Eines der schönsten Erlebnisse für mich betrifft die bereits erwähnte Szene mit der Zimmerverteilung. Während am Anfang noch massive Vorurteile zwischen den unterschiedlichen Flüchtlingsgruppen bestanden, spürten wir, wie mit jedem neuen Take das Eis immer mehr zu schmelzen begann, bis wir irgendwann sogar alle gemeinsam lachen mussten über die Absurdität dieser Szene.
Ist «Welcome to Norway» ein politischer Film?
Obwohl ich selber Politikwissenschaft studiert habe und fast nur politische Bücher lese, ist «Welcome to Norway» kein politischer, sondern ein menschlicher Film. Die Menschlichkeit ist es, die viel zu oft vergessen geht. Wenn der Film eine Botschaft hat, dann diese: Wir können Menschen nicht einfach in Gruppen einteilen – schliesslich sind wir doch alle bloss Menschen, und es tut gut, gemeinsam über uns selber zu lachen!