Antek ist Mitglied in einer ultrakonservativen polnischen Bruderschaft. Über vier Jahre hinweg begleitet die Filmemacherin Hanka Nobis, die den charismatischen und sensiblen jungen Mann, der sich immer weniger mit althergebrachten Werten identifizieren kann. Im Austausch mit einem sich stetig ändernden Freundeskreis entwickelt Antek seine eigene Meinung dazu, was es bedeutet, ein guter Mensch zu sein. Hanka Nobis wird mit dem Zürcher Filmpreis für die Regie ausgezeichnet.
POLISH PRAYERS
Synopsis
Antek lernt, was es bedeutet, wirklich ein Mann zu sein, durch zarte, schwierige und aufregende Beziehungen zu Frauen. Sein Leben führt er praktisch in zwei Welten: Tagsüber betet er auf dem Breslauer Marktplatz mit einem Megafon den Rosenkranz, um «die Christen vor der Verfolgung und Europa vor der Islamisierung zu retten». Nachts betrinkt er sich jedoch auf Techno-Partys mit jungen Frauen. Auch zu Hause ist nicht alles so, wie es sein sollte. Anteks Mutter hat seinen Vater verlassen und seine kleinen Geschwister mitgenommen, und Antek ist in seiner Loyalität hin- und hergerissen zwischen seinem Vater, der sein Vorbild ist, und seiner Mutter, die ihn zwar unterstützt, aber mit ihrer Emanzipation traditionelle Werte infrage stellt.
Weitere Stimmen
«Ein fesselndes Debüt – ebenso erhellend wie schockierend.» – FILMUFORIA | «Ein starkes und kompromissloses Werk – und ein berührendes Debüt, intensiv und tiefgründig, ohne wertend zu sein.» – CINEUROPA | «Ein schonungslos offenes, aufschlussreiches Porträt eines jungen
Mannes, dessen Verwandlung in den wohldosierten Abschnitten des Films feinfühlig eingefangen wird.» – Modern Times Review
Rezension
Von Kathrin Halter
«Was ist das Wichtigste an der polnischen Kultur?», fragt ein junger Mann an einem Survival-Camp seine Kollegen der polnischen Bruderschaft, die hier unter ihresgleichen beten, singen und dabei ihre Männlichkeit konturieren wollen. «Katholizismus!», ruft einer prompt, «mutige Männer!» ein anderer. Was genauso zu diesem Weltbild dazugehört, zeigt sich später an einer Demonstration für «Glaube, Tradition, Ordnung»: Hass auf Schwule und überhaupt die ganze LGBTQI-Community, die in Sprechchören und per Mikrofon als «Päderasten» und «Abschaum» diffamiert werden.
Verwandlung nach Drehbuch
Hanka Nobis beobachtet die katholisch-reaktionäre Clique aus Sicht von Antek, eines jungen Mannes, den die polnische Jungfilmerin für ihren ersten Spielfilm während vier Jahren eng begleitet hat. Dabei wird man Zeugin einer Persönlichkeitstransformation, die so radikal umfassend abläuft, als entspringe die Wandlung dem Wunsch-Szenario der Filmemacherin: Aus dem erz-katholischen Chauvinisten wird ein Zweifelnder und schliesslich ein Ungläubiger (Gott, Vaterland und dem Patriarchat gegenüber), der dem urbanen Lebensstil mit vorehelichem Sex, Drogen und Musikgenuss genauso zugetan ist wie ein links-hedonistischer Grossstadtmensch.
Risse im Weltbild
Beeindruckend ist Anteks Wandlung aus drei Gründen: Erstens ist er ein Protagonist, dem man beim Zweifeln zuschauen kann und also dabei, wie sich ein Weltbild verrückt und Sprünge bekommt. Zum Glück wird das niemals ausbuchstabiert; immer wieder gibt es Ellipsen und eine Montage, die Dinge andeutet oder auch mal offenlässt. Zweitens beweist Hanka Nobis einen genauen Blick für bezeichnende, mitunter auch komische Details: die Beobachtung einer Freundin Anteks, dass an einem Bruderschaftsfest über die Hälfte der Frauen schwanger sind; die seltsam eingeübt, fast erzwungen wirkenden Rituale der Bruderschaft; die Verlegenheit Anteks, als sich zwei junge Frauen an einem Ball mehr für seine Wimpern als für das angesagte polnische Liedgut interessieren.
Fazit: Ein politisch hochaktueller Erstlingsfilm, doch fragt man sich gelegentlich, welche Rolle die Filmemacherin im Emanzipationsprozess des Protagonisten einnimmt: Dass die filmische Beobachtung an Antek spurlos vorbeigegangen ist, kann man sich jedenfalls kaum vorstellen.