Das queere Filmfestival bietet für rund zehn Tage eine Fülle an Kurz- und Langfilmen, Filmpremieren sowie Diskussionsrunden zum «anti-queeren Backlash» oder zu «Berührungswelten». Pink Bar, +GLITBAQ+Filmquiz und Drag-Show inklusive. Als «Warm-up» ist WITHOUT AIR zu sehen, das beeindruckende Langfilmdebüt von Katalin Moldovai: über die perfiden Mechanismen der Repression an einem ungarischen Gymnasium, bloss weil eine Lehrerin einen Film über den schwulen Rimbaud empfiehlt.
Pink Apple 2024
Eine Festivalvorschau von Doris Senn
Outen müssen wir uns immer wieder
Mit seiner 27. Ausgabe greift das queere Filmfestival Pink Apple ein Kernthema des Andersliebens und Andersseins auf: das Coming-out. «Und auch wenn wir es schon hinter uns haben, ganz vorbei ist es nie, denn sei es am Arbeitsplatz, in der Schule oder in der neuen Nachbarschaft: Outen müssen wir uns immer wieder», schreibt das Pink-Apple-Team im Editorial. Der Eröffnungsfilm, YOUNG HEARTS, zeigt dies auf herzerwärmende Weise. Es ist das Langfilmdebüt des belgischen Anthony Schatteman, der damit den Film realisierte, den er selbst gern gesehen hätte, als er noch jung war und mit seinen Gefühlen kämpfte. YOUNG HEARTS dreht sich um den 13-jährigen Elias, der sich bis über beide Ohren in den neuen Nachbarsjungen Alexander verliebt – und trotz einem überaus wohlwollenden Umfeld vor allem sich selbst im Weg steht. Lou Goossens mit seinen stahlblauen Augen spielt Elias mit atemberaubender Intensität. Regisseur Schatteman wird zur Eröffnung anwesend sein.
Elene Naveriani
Den Golden Apple als Ehrenpreis erhält Elene Naveriani. Bereits an den diesjährigen Schweizer Filmpreisen für ihr jüngstes Werk BLACKBIRD BLACKBIRD BLACKBERRY zweifach ausgezeichnet, ist Naveriani – 1985 geboren – bisher jüngste:r Ehrenpreisträger:in des Festivals. Die sich als non-binär definierende Regisseur:in verantwortet ein Werk, das sich insbesondere mit Queerness und Immigration in einer vorurteilsbehafteten georgischen Gesellschaft beschäftigt. Naverianis Film WET SAND (2001) über ein schwules Paar, das in einer Dorfgemeinschaft Georgiens Jahrzehnte im Versteckten lebt, fand international Beachtung.
Hoffnungsvoller Abschlussfilm
Mit rund 50 Lang- und fast so vielen Kurzfilmen zeigt Pink Apple einen Querschnitt durch das aktuelle queere Filmschaffen, durch das sich nebst Coming-out auch die Themen «unsichtbare Bisexualität» oder «Fetisch» ziehen. Den Abschluss des Festivals macht der grossartige REAS von Lola Arias. Ein dokumentarisches Musical, in dem die Darsteller:innen ein Reenactment ihrer eigenen Geschichte bieten. Die Argentinierin Lola Arias drehte ihren Debütfilm in einer Gefängnisruine, die sich immer wieder zur glitzernden Musical-Kulisse wandelt und erzählt, wie die junge Yoseli wegen Drogenhandels eingewiesen wird und auf eine verschworen-solidarische Gesellschaft von Cis, trans und non-binären Frauen/Männern trifft. Ein hoffnungsvolles, äusserst charmant umgesetztes Narrativ, ohne den Blick für die Realitäten zu verlieren.