Mit der Neuauflage von Rainer Werner Fassbinders «Die bitteren Tränen der Petra von Kant» (1972) liefert François Ozon eine bitterböse Promi-Satire, die an der Berlinale 2022 als Eröffnungsfilm lief. Von Ozons Lieblingsschauspieler Denis Ménochet angeführt, vervollständigen Isabelle Adjani und Hanna Schygulla die herausragende Besetzung. Schygulla, die zu Fassbinders Stammbesetzung gehörte, war auch beim Original schon dabei!
Peter von Kant
Kultregisseur François Ozon traut sich an das Remake eines Filmklassikers heran – kann das gut gehen?
Peter von Kant | Synopsis
Peter von Kant, ein passionierter Filmemacher, lebt in seiner elegant-gemütlichen Loft mit Karl zusammen. Dieser sagt nie auch nur ein Wort, kümmert sich um Peters Termine, bewirtet Gäste, schenkt Champagner nach, überarbeitet Drehbücher. Wertschätzung erfährt er keine. Respekt zollt Peter ausschliesslich seiner «Muse», der reifen Star-Schauspielerin Sidonie. Eines Tages bringt sie den blutjungen Amir mit. Peter ist völlig hingerissen, verliebt sich Hals über Kopf in den selbstbewussten Beau. Er bietet Amir an, bei ihm einzuziehen und ihm zu einer Schauspiel-Karriere zu verhelfen. Amir hat Talent, wird umschwärmt, ist bald schon überall gefragt. Doch je erfolgreicher er wird, desto gleichgültiger und arroganter behandelt er Peter …
Gelungenes Remake
Mit «Peter von Kant» verneigt sich François Ozon vor der Regie-Ikone Rainer Werner Fassbinder: Er interpretiert dessen Stück «Die bitteren Tränen der Petra von Kant» und den gleichnamigen Film von 1972 auf kühne Art ganz neu. Einmal mehr erweist sich der französische Regisseur dabei als begnadeter Schauspieldirigent: Die Darsteller:innen sind herausragend – allen voran Denis Ménochet in der Hauptrolle und Isabelle Adjani, die ihren Auftritt als Diva Sidonie mit ein paar Prisen Selbstironie würzt. «Peter von Kant» erzählt von unstillbarer Liebesgier, von Machtverhältnissen, Besitzansprüchen, vom Zerfall eines Egomanen: ein fesselndes Kammerspiel und feines melodramatisches Gefühlskino in einem, umflort von bitterer Melancholie und schwarzem, ironisierendem Humor.
Peter von Kant | Weitere Stimmen
«Ein Film mit einem sensationell aufspielenden Ensemble und voller intelligenter Reflexionen: rundum gelungen!» – Deutschlandfunk Kultur | «Denis Ménochet spielt besser als je zuvor.» – IndieWire | «Ein von Leichtigkeit und Humor durchzogenes (Melo-)Drama, mit dem Ozon an seine Meisterwerke ‹8 Femmes› oder ‹Gouttes d’Eau sur Pierres brûlantes› anknüpft. Die um Themen wie Liebe, Leidenschaft, Eifersucht, Machtverhältnisse kreisende Story vermittelt ein Gefühl von Zeitlosigkeit.»– J:MAG | «‹Peter von Kant› erweist sich in seiner ironischen Sensibilität als authentisch ‹fassbinderisch› und ganz und gar ‹ozonesk›.» – Screen International | «Die Musik, das Dekor und der 1970er-Jahre-Stil – den man aus Ozons Filmen ‹8 Femmes› und ‹Potiche› kennt – werden die Liebhaber des französischen Regisseurs begeistern.» – Screen Daily
Der 1967 in Paris geborene Regisseur und Drehbuchautor François Ozon zählt zu den renommiertesten Filmschaffenden seines Landes. Er studierte an der Filmhochschule La Fémis und wurde vor «Peter von Kant» bereits fünfmal in den Wettbewerb der Berlinale eingeladen: 2000 mit «Tropfen auf heisse Steine», der mit dem Teddy Award ausgezeichnet wurde, 2002 mit der Komödie «8 femmes», dessen Darstellerinnen-Ensemble den Silbernen Bären erhielt, 2007 mit «Angel», 2009 mit «Ricky» und 2019 mit «Gelobt sei Gott», für den Ozon den Grossen Preis der Jury erhielt. 2012 gehörte er der Wettbewerbsjury an.
Rezension
von Geri Krebs
«Bitte, verschone mich mit solchen Geschichten». Hanna Schygulla erzählte anlässlich der Schweizer Vorpremiere von Peter von Kant vor zwei Monaten im Zürcher Filmpodium, was ihre erste spontane Reaktion gewesen sei, damals 1971, als sie den Text von Rainer Werner Fassbinders neuem Theaterstück «Die bitteren Tränen der Petra von Kant» gelesen habe. Der Regisseur, mit dem Schygulla davor schon mehrfach zusammengearbeitet hatte und für den sie zu jener Zeit etwas wie seine «Muse» gewesen war, wollte, dass sie die Rolle der Geliebten der Titelfigur spielte. Diese, die reiche Modeschöpferin Petra von Kant, verliebt sich unsterblich in das junge Model Karin, derweil sie ihre schweigsame und stets zu Diensten stehende Sekretärin mit unverhohlener Herrenmenschenattitüde wie eine Sklavin behandelt – und Karin ihrerseits verliert schon nach kurzer Zeit das Interesse an Petra, was diese wiederum in tiefe Verzweiflung stürzt. Fassbinder habe es dann mit seiner unglaublichen Fähigkeit, Menschen für sich einzunehmen, schliesslich doch noch geschafft, Schygulla für die Rolle zu gewinnen, erzählte die heute 78-jährige Schauspielerin weiter. Sie spielte ein Jahr nach der Uraufführung des Theaterstücks auch in Fassbinders eigener filmischer Adaptation seines Stücks erneut die Rolle der Geliebten.
Cineastische Querverweise
Und nun, genau 50 Jahre später, ist Hanna Schygulla auch in François Ozons Fassbinder-Hommage mit von der Partie – in der Rolle der gegen Ende des Films auf den Plan tretenden Mutter des Titelhelden Peter von Kant. Dieser ist im Köln des Jahres 1972 ein erfolgreicher Filmregisseur und arbeitet gerade an einem Drehbuch, in dem Romy Schneider die Hauptrolle spielen soll – ein Fingerzeig Ozons an eine andere Überfigur des deutschen Kinos, die zwei Tage vor Fassbinders eigenem Tod ebenfalls viel zu früh starb. Und Ozons Titelfigur verliebt sich auch – jedoch in den schönen, arbeitslosen Schauspieler Amir. War bei Fassbinder die lesbische Liebesgeschichte ausschliesslich mit Frauen besetzt – neben Schygulla glänzten Margit Carstensen als Petra von Kant, Irm Hermann als Sekretärin und Katrin Schaake als Petra von Kants beste Freundin, die Gräfin Sidonie – ist in Ozons schwuler Fassung mit Isabelle Adjani als Peters bester Freundin Sidonie, neben Hanna Schygulla, eine weitere prominente Schauspielerin mit von der Partie.
Zerrissene, grosse Persönlichkeiten
Das grosse Erlebnis in «Peter von Kant» aber ist Hauptdarsteller Denis Ménochet, einst bekannt geworden durch Quentin Tarantinos «Inglourious Basterds» und zuletzt in der Hauptrolle in Bruno Molls komödiantischem Thriller «Seules les bêtes» zu sehen. Der auch durch seine physische Erscheinung sehr präsente Schauspieler spielt diesen narzisstischen Peter von Kant mit unglaublicher Präzision. Ständig zwischen Selbstmitleid, Grössenwahn und schonungsloser Selbsterkenntnis schwankend, ist es geradezu erschreckend, wie sehr diese Figur in ihrer Zerrissenheit an die Person von Rainer Werner Fassbinder erinnert.
Fazit: «Peter von Kant» ist eine so vielschichtig bewegende wie von ausgesucht künstlicher Ästhetik gekennzeichnete Hommage des grossen Franzosen an einen der ganz grossen bundesdeutschen Cinéasten. Ein Werk über obsessive Liebe, Grössenwahn und Selbstzerstörung.