Das Sonderprogramm EAT THE RICHE begleitet die 23. Ausgabe des Festivals und unternimmt anhand von vielfältigen Blickwinkeln eine geografische und zeitliche Reise durch ein Jahrhundert des fantastischen Films. Das Programm umfasst rund 20 Spielfilme und wird ergänzt durch eine Podiumsdiskussion.
NIFFF 2024 - EAT THE RICH
Die Retrospektive mit dem provokativen Titel ist den Darstellungen von Eliten im Genrekino gewidmet.
KONFERENZ THE RICH GAZE IM GENRE-KINO
10. Juli 2023 | 13:30 – 14:30, PASSAGE 2
Unter der Moderation der Journalistin Judith Beauvallet, alias Demoiselles d’horreur, mit der Forscherin Sophie Serrano und anderen wird in der Diskussionsrunde die Metaphorik im Genrekino als Spiegelbild des Klassenkampfes untersucht. Eine Diskussion über die Entwicklung politischer Botschaften auf der Leinwand.
Ungerechtigkeiten, Privilegien und Dekadenz
«Wenn das Volk nichts mehr zu essen hat, wird es die Reichen essen». Dieser Satz, der Jean-Jacques Rousseau zugeschrieben wird, und der im Laufe der Zeit zum Symbol für den Unmut der Arbeiterklasse gegenüber den sozialen, politischen und intellektuellen Eliten geworden ist, ist aktueller denn je – auch im Rahmen des fantastischen Films gewinnt er an Bedeutung. In einer Welt, in der alle und alles als ausbeutbar gelten, und in der natürliche und wirtschaftliche Ressourcen immer ungleicher verteilt sind, besteht durch die wachsende Kluft zwischen den Gesellschaftsschichten der Wunsch, von solchen Ungleichgewichten zu erzählen, was allerlei Erzählformen und ästhetische Ansätze hervorgebracht hat.
Systemische Unterdrückung
Aufbauend auf die in den letzten beiden Jahren gezeigten Retrospektiven SCREAM QUEER und FEMALE TROUBLE dreht sich die Retrospektive EAT THE RICH um systemische Unterdrückung und Ungerechtigkeiten. Sie hinterfragt soziale und politische Einflüsse sowie die damit verbundenen Fantasien. Als Spiegel ihrer Zeit greifen Genrefilme seit jeher gesellschaftliche Themen auf – mit viel Freiraum bezüglich ihrer Tonalität, mit teils wörtlichen, teils metaphorischen Darstellungsformen. So stellt etwa Luis Buñuel in einem Kammerspiel die Benimmregeln der Bourgeoisie auf die Probe und fragt danach, was übrigbleibt, wenn der soziale Lack erst einmal abgeblättert ist (EL ÁNGEL EXTERMINADOR, 1962). Näher an der Popkultur, aber mit einem ähnlichen Ansatz, ergötzt sich Brian Yuzna an den Schandtaten und Abartigkeiten, die sich unter dem Schein der materialistischen, wohlhabenden US-Gesellschaft verbergen (SOCIETY, 1989). Mamoru Oshiis Kult-Animationsfilm GHOST IN THE SHELL (1995) kritisiert Machtverhältnisse in einer Dystopie, in welcher Menschen und Cyborgs in einem totalitären Regime koexistieren.
Hungrige Zombies
Und wenn die Reichen tatsächlich gefressen werden, dann von hungrigen Zombies (LAND OF THE DEAD, George A. Romero, 2005), eine Metapher für die sozial Ausgegrenzten, die durch die trostlosen Strassen der machtlos gewordenen USA streifen. SNOWPIERCER (Bong Joon-ho, 2013) findet für den kometenhaften sozialen Aufstieg ihrer Hauptfigur eine visuelle Entsprechung in einer unaufhaltbaren Zugfahrt. Jenna Cato Bass schliesslich erinnert uns an die politische Dimension des Intimen (GOOD MADAM, 2021) und daran, dass es von der häuslichen Gewalt zur ethnischen Ausbeutung nur ein kleiner Schritt ist.