Sechs Jahre nach der Veröffentlichung der französisch-belgischen Tragikomödie LE GRAND BAIN kehrte der französische Schauspieler und Regisseur Gilles Lellouche mit L’AMOUR OUF 2024 an die Croisette zurück. Sein neuster Film, in dem Adèle Exarchopoulos und François Civil ein ungleiches und auf ewig verbundenes Paar spielen, feierte seine Weltpremiere im offiziellen Wettbewerb.
L'AMOUR OUF
L’AMOUR OUF | SYNOPSIS
Die 1980er-Jahre in Nordfrankreich. Jackie und Clotaire wachsen zwischen Schulbänken und Hafendocks auf. Sie studiert, er hängt herum. Dann kreuzen sich ihre Schicksale und es ist Liebe auf den ersten Blick. Das Leben versucht, sie zu trennen, aber nichts kann sie auseinanderbringen.
H3. L’AMOUR OUF | WEITERE STIMMEN
«Fast drei Stunden filmischer und emotionaler Exzess: eine Romanze wie ein Schlag in die Magengrube.» – filmbulletin.ch | «L’AMOUR OUF ist ein fast dreistündiges Liebes-Epos, das weder mit grossangelegten Gefühlen noch mit Gewalt zurückhält. Die Rechnung geht nicht ganz auf, da es der Film mit einigen Klischees übertreibt. Aber die überbordende Inszenierung nimmt einen mit, sodass man am Ende fast etwas erschlagen ist.» – Outnow | «Lellouches Ansatz mag nicht gerade originell sein, aber er ist ein engagierter Filmschaffender, und wenn es eine Sache gibt, die dieses starbesetzte Epos beweist, dann ist es die, dass selbst abgedroschene Genres durch Aufrichtigkeit, Überraschungen und visuelle Kraft belebt werden können.» – IndieWire | «Gilles Lellouche erzählt diese moderne Romeo-und-Julia-Liebesgeschichte mit epischem Atem, unbändiger Energie und einer charismatischen Adèle Exarchopoulos in der Hauptrolle.» – ZFF
Rezension
Von Ondine Perier
Der Film taucht direkt in eine explosive Atmosphäre ein, mit einer intensiven Eröffnungsszene, in der Clotaire (François Civil) mit rasiertem Kopf und grimmigem Blick entschlossenen Schrittes marschiert, dicht gefolgt von seiner Bande von Schlägern, die bereit sind, sich zu prügeln. Ihr Zusammentreffen mit einer anderen Gang in einem Hafen im Norden führt zu blutiger Gewalt und roher Energie. Der Ton von L’AMOUR OUF ist gesetzt.
Nostalgie der Jugend
Der erste Teil des Films erzählt von einer Jugend, die vor Emotionen und Temperament geradezu vibriert, in einer Welt à la Romeo und Julia der Neuzeit. Die ehrgeizige und ernsthafte Jackie (Adèle Exarchopoulos) verliebt sich in Clotaire, einen verlorenen jungen Mann, der die Schule abgebrochen hat, um mit seinem Bruder und einer Bande von Draufgängern kleine Diebstähle zu begehen. Die Chemie zwischen ihnen ist unverkennbar, und Lellouches Kamera folgt den beiden jungen Leuten mit einer beweglichen Agilität, die ihre Leidenschaft, ihre Unbeschwertheit und ihre aufkommende Liebe einfängt. Es wird viel gelacht, vor allem dank der witzigen und zärtlichen Dialoge, auch zwischen Jackie und ihrem Vater. Die beiden sind äusserst eng miteinander verbunden. Im Gegensatz zu Clotaires Familie, in der die Gewalt des Vaters dominiert. Dieser Kontrast bereichert die Handlung und trägt dazu bei, dass man sich in diesen jungen Bad Boy mit dem raubeinigen Blick einfühlen kann. Lellouche beweist ein Talent dafür, Nostalgie zu inszenieren: Jedes Detail, von den Kostümen über die Requisiten (K7, Walkman, Bandanas) bis hin zum Soundtrack ist sorgfältig ausgearbeitet und beschwört eine längst vergangene Zeit herauf. Die lichtdurchfluteten, fröhlichen Szenen kontrastieren mit dem düsteren Ton, der nach einer Sonnenfinsternis einsetzt– einem Wendepunkt, der einen Einschnitt in der Erzählung markiert.
Pointierte Dialoge und grandioses Ensemble
Subtile Anspielungen auf den französischen Schriftsteller Jean de La Fontaine ziehen sich humorvoll durch die Geschichte, insbesondere durch Jackie, deren Intelligenz und bitterböse Sprüche die Leinwand erhellen. Clotaire hingegen ist fast stumm, aber seine Liebe zu Jackie ist in jeder seiner Gesten spürbar. Besonders die Szene, in der er ein Tablett mit Flambys, Jackies Lieblingsdessert, stiehlt, um es ihr in der Kantine zu liefern, ist urkomisch und rührend zugleich. Allerdings bricht bei Clotaire die Gewalt wieder hervor und eine Gefängnisstrafe wird unvermeidlich. Ohne an dieser Stelle zu viel zu verraten: Der Wechsel der Rollenbesetzung und die greifbarere Anspannung sind bemerkenswert gut inszeniert. Die Kamera wird starrer, das Tempo intensiver und die Schlägereien blutiger. Der Humor ist zwar zurückhaltender, aber immer noch vorhanden, was grösstenteils den Leistungen der Nebendarsteller Raphael Quenard und Jean-Pascal Zadi zu verdanken ist, die einen Hauch von Leichtigkeit in diese Welt der Brutalität bringen. Jede Nebenrolle ist fein ausgearbeitet, was eine der grossen Stärken des Films ist. Jede Nebenfigur leistet einen bedeutenden Beitrag zur Handlung, was die Idee verstärkt, dass L’AMOUR OUF ein Kollektivwerk ist, bei dem jedes Glied zählt.
Fazit: Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Gilles Lellouche mit L’AMOUR OUF sein Talent als Regisseur bestätigt. Dieser romantische, atemlose und zugleich bewegende Film feiert die verrückte Liebe, die uns in der Jugend begegnet, uns umwirft und in Erinnerung bleibt. Er weckt in uns den Wunsch, unsere erste Liebe noch einmal zu erleben und erneut in diesen Strudel der Emotionen einzutauchen.