Kino | Le dernier pour la route
Das letzte Glas auf den Weg, so könnte der Gedankengang eines Alkoholikers lauten: Philippe Godeau widmet sich unverblümt dem Thema der Sucht und wie andere Menschen dabei helfen können, aufzuhören.
Synopsis: Hervé (Francois Cluzet) trinkt noch hastig ein paar Gläser Weisswein auf dem Weg in die Entzugsklinik. Er hat sich entschieden, einen Entzug durchzustehen. Anfangs noch sehr misstrauisch gegenüber der Gruppentherapie und den Ritualen des Klinikalltags, fässt Hervé durch die Geständnisse der anderen mehr Mut und kann sich selber auch mitteilen. Er erkennt die wohltuende Wirkung der Arbeit im Kollektiv – eine Stärke, die einem allein oft fehlte. Doch die Klinik ist kein Zauberinstitut; es verlangt den unterschiedlichen Mitgliedern der Gruppe viel ab, ihrem Elixir fernzubleiben – so auch der jungen Magali (Mélanie Thierry), für die Hervé besonderes Interesse hegt. Stars: Francois Cluzet («Ma place au soleil» 2007) trägt die undurchdringliche Maske des anonymen Alkoholikers Hervé zur Perfektion und weiss diese bei den aufsteigenden Gefühlen gegenüber der jungen Mélanie Thierry («Babylon A.D. » 2008) alias Magali gekonnt abzunehmen. Regie & Crew: Der bisher als Produzent bekannte Philippe Godeau («Largo Winch» 2008) führt mit der Filmadaption von Hervé Chabaliers Buchvorlage das erste mal Regie und ist dabei emotional sehr involviert.
art-tv-Wertung: Meistens hört der Film ja auf, wenn einer in der Entzugsklinik landet. Seine Gedanken, seine Ängste und Gefühle bleiben dann hinter verschlossenen Türen. Das ändert «Le dernier pour la route» gewollt: der Film zeigt, wie Gefallene wieder zu sich finden und sich erheben. Dabei legt Philippe Godeau den Schwerpunkt auf die Erfahrung in der Gruppe von Abhängigen, die zusammen ihre Therapie durchstehen. Es ist spannend und bereichernd zu sehen, wie die verschiedenen Menschen sich gegenseitig beeinflussen, einander den Spiegel vorhalten und sich so helfen. Es geht Godeau nicht nur um die Alkoholsucht, sondern um jegliche Art von Abhängigkeit. Das ist auch der Punkt, der für den Zuschauer viel Verständnismöglichkeit schafft – hat doch jeder Mensch die eine oder andere, stärkere oder schwächere Abhängigkeit im eigenen Leben zu beklagen. So hilft Pierre (Michel Vuillermoz) Hervé, den Zusammenhang zwischen seinem Lebensstil und seiner Alkoholsucht zu erkennen. Er macht ihn darauf aufmerksam, dass Hervés Interesse für Magali vorallem dessen Verlangen nach Drama befriedigt. «Le dernier pour la route» ist ein ruhiger, humorvoller und dennoch aufwühlender Film, der die Hoffnung der Veränderung vermittelt. Fazit: Philippe Godeau bringt mit «Le dernier pour la route» einen nüchternen, hoffnungsvollen Film zum Thema Alkoholabhängigkeit und dem gewagten Entzug.
Isabel Rohr