Kino | Dharavi – Slum For Sale
Lutz Konermanns und Robert Applebys Dokumentarfilm über den Slum Dharavi in Mumbai ist ein spannender Bericht über profitorientierte Städteplanung im Widerstreit mit dem selbstorganisierten Slumleben der Armen.
Synopsis: Dharavi, der grösste Slum Asiens, liegt gerade neben dem neuen Finanzzentrum Mumbais und beherbergt bei höchster Bevölkerungsdichte fast eine Million Menschen. Nun soll der Slum zugunsten moderner Sanierungspläne der Stadt, welche gleichzeitig hohen Profit versprechen, weichen. Leiter des Projekts ist der Architekt Mukesh Mehta, der neben der verbesserten Infrastruktur und den an private Investoren verkauften Grundstücken auch den heutigen Slumbewohnern Wohnraum und Arbeit verspricht; doch ist das realistisch? Unmut regt sich nicht nur unter den Slumbewohnern, sondern auch in einigen unabhängigen Menschenrechtsorganisationen: bis jetzt widerstehen die Bewohner Dharavis den verlockenden Angeboten und ziehen ihre Autonomie vor. Regie & Crew: Der Zürcher Regisseur Lutz Konermann («Der Fürsorger» 2009) bringt zusammen mit Co-Autor Rob Appleby, der schon umfangreiche Fotoessays über Bombay veröffentlichte, einen brisanten Dokumentarfilm über Mumbais Slum Dharavi und dessen Kampf gegen fragwürdige Sanierungspläne der Regierung.
art-tv-Wertung: Gebt der Stimme der Armen und Unabhängigen ein Gesicht! «Dharavi – Slum For Sale» zeigt sich als engagierte Situationsbericht der Verhandlungen zwischen ambitionierten Sanierungsplanern und autonomen Slumbewohnern. Die Slumbewohner hausen zwar in ärmlichen Verhältnissen, aber sie fühlen sich unabhängig und vertrauen nicht in staatliche Hilfe: zu Recht, denn zuviel Profit steckt in den steigenden Grundstückpreisen des zentral gelegenen Slumgebiets Dharavi. Äusserst spannend werden die verschiedenen Meinungen und Perspektiven zum Slumleben dargelegt; denn wo der eine die Nase rümpft, beginnt vielleicht die Freiheit des anderen! Interessant ist auch, dass die Demokratie immer noch als Puffer zwischen globalen Wirtschaftsinteressen und sozialen Bedürfnissen der regionalen Bevölkerung funktioniert – auch in Indien. Die ambitionierten Städteplaner, wie Mukesh Mehta mögen vordergründig Gutes tun wollen, sehen aber alles durch die rosarote Brille des westlichen Wohlstandkonzepts. Dass einigen Menschen ihre Autonomie wichtiger ist als Geld, ist für ihn und andere schwer verständlich. Fazit: «Dharavi – Slum For Sale» bringt die relevante Erkenntnis, dass für viele Menschen ihre Autonomie nicht mit Geld gekauft werden kann, sondern sich innerhalb eines engen sozialen Netzes entwickelt und festigt: ein sehr sehenswerter Film.
Isabel Rohr