Der um einen objektiven Blick bemühte Dokumentarfilm über das Leben in einem tschadischen Flüchtlingslager überlässt es den Zuschauern, sich ein Urteil zu bilden.
Kino | Au loin des villages
Synopsis: Im April 2006 flohen tausende Dajos, die Urbewohner Westsudans, aus Darfur auf die Ebene von Gouroukoun im Osten des Tschads. Heute fristen sie noch immer ein dürftiges, isoliertes Leben in riesigen Flüchtlingslagern. Die sudanesische Regierung zeigt wenig Interesse daran, die Konflikte zu belegen und den Flüchtlingen eine Rückkehr zu ermöglichen. Olivier Zuchuat hat das tägliche Leben und Warten in so einem Lager über längere Zeit begleitet und einen äusserst feinfühligen Film mit den Bewohnern über ihre momentane Situation gedreht. Alltägliche Arbeiten wechseln ab mit Geschichten über die Flucht und Gedanken über mögliche Lösungen; über eine Zukunft. Regie & Crew: Olivier Zuchuat dreht mit «Au loin des villages» seinen dritten Film über afrikanische Problematiken («Un griotte en exil» 2002, «Djourou, une corde à ton cou» 2006). Dieser Film wurde als bester Dokumentarfilm am internationalen Filmfestival in Insbruck ausgezeichnet.
art-tv-Wertung: Ein Flüchtlingslager ist ein Gefängnis ohne Mauern und die Zeit der Haftstrafe unbegrenzt! Das Leben der Flüchtlinge schlingert zwischen einem ohnmächtigen Warten und der praktischen Organisation zugunsten des Überlebens. Nichts ist sicher: gerade da wird eisern an den kulturellen Bräuchen festgehalten, um mindestens würdevoll zu warten oder zu sterben, und sei es nur der allmorgendliche Gruss: «Bist du gut aufgestanden?» oder die Klagegesänge der Frauen. Dieser Film dokumentiert aus respektvoller Distanz und kommt doch nahe; vor allem nahe an das, was die Menschen im Lager erzählen wollen. Er zwingt ihnen nichts auf, sondern zeichnet still ihre Geschichten auf, wendet den Blick ab, wenn fertig berichtet wurde. Viele Aufnahmen zeigen alltägliche Handlungen und Tagesstimmungen, wobei die Stille und das Ausharren der Flüchtlinge im Lager fassbar wird. Von den Kämpfen hört man nur über die Geschichten und Zeichnungen der Menschen im Lager, wo die Zeit bedeutungslos zu werden scheint. Fazit: Dieser Dokumentarfilm verweist den Zuschauer auf den Platz des aktiven Zuhörers von Menschen, die in ihren Flüchtlingslagern vergessen gegangen scheinen.
Isabel Rohr