Natja Brunckhorsts Komödie ZWEI ZU EINS entführt in eine Zeit, in der alles möglich schien. Maren, Robert und Volker erleben einen abenteuerlichen Wende-Sommer im sachsen-anhaltischen Halberstadt, wo die Gelegenheit sie zu Dieben macht. Sie klauen entwertetes DDR-Geld und schlagen mit den Mitteln des Kapitalismus gemeinschaftlich Profit. Im Interview spricht die Regisseurin und Schauspielerin über die echten Geldräuber, die Wende und was sie sich als 13-Jährige am Filmset gewünscht hätte.
Interview Natja Brunckhorst | ZWEI ZU EINS
«Was ist der Hände Arbeit noch wert im Verhältnis zu Geld, das man einfach auf das Bankkonto legt?»
Mit Natja Brunckhorst sprach Geri Krebs
arttv.ch: «Natja Brunckhorst dankt Halberstadt und den Dieben, die ich nie kennenlernen durfte», heisst es am Ende der Credits von ZWEI ZU EINS. Haben Sie die Diebe inzwischen kennengelernt?
Natja Brunckhorst: Nein, leider nicht. Aber ich träume immer noch davon, dass sich das vielleicht doch noch ändern wird. Wenn ich den Film nächsten Monat auch in Halberstadt persönlich präsentieren werde, dann wäre es für mich das grösste Geschenk, wenn sich die Diebe im Publikum befänden und sich zu erkennen geben würden.
Hätte das nicht allenfalls noch strafrechtliche Konsequenzen?
Nein, nach über 30 Jahren ist das längst verjährt.
Wie sind Sie auf die Geschichte vom Diebstahl der eingelagerten DDR-Banknoten gestossen?
Das verdanke ich dem 2013 verstorbenen DDR-Kabarettisten Peter Ensikat. Ich habe in einem Buch von ihm nur den einen Satz gelesen: Das gesamte Papiergeld der DDR wurde in einem Stollen eingelagert. Die Geschichte hat mich sofort elektrisiert. Ich bin nach Halberstadt gefahren, um mir das anzuschauen. Ich konnte in diesen Schacht gehen, was sehr beeindruckend war.
Hatten Sie da bereits die Idee, aus der Geschichte einen Film zu machen?
Wie bitte? Natürlich! Da ist Potenzial für ein Heist Movie. Da ist Potenzial für eine Komödie. Da ist alles vorhanden.
Sie haben mit Sandra Hüller einen Oscar-nominierten Superstar für die weibliche Hauptrolle verpflichten können. Wie haben Sie das geschafft?
Beim Schreiben eines Drehbuches denke ich nicht daran, wer das einmal spielen soll. Da würde ich mich kreativ einschränken und das Buch wandelt sich ja auch im Laufe des Schreibprozesses mehrmals. Aber wenn das Buch fertig ist, geht Natja, die Autorin in die Ecke und Natja, die Regisseurin, kommt raus. Und die darf dann besetzen. Die Geschichte entwickelt sich von der Mitte her und es kristallisierte sich dieses Trio von zwei Männern und einer Frau heraus. Als ich das Drehbuch fertig hatte und ich mit dem Casting begann, fragte ich erst mal Max Riemelt und Ronald Zehrfeld an. Die beiden haben schon zusammen gespielt und sind ein gutes Team, das wusste ich. Was Sandra Hüller betrifft, so ging ich bei ihr den üblichen Weg, den ich gehe, wenn ich jemanden noch nicht kenne: Ich schickte ihr das Drehbuch. Sie zeigte sich dann interessiert und so fragte ich sie: Hast du Lust, mich mal auf einen Kaffee zu treffen? Wir verstanden uns sofort und so begann unsere Zusammenarbeit. Das war aber noch einige Zeit, bevor sie für den Oscar nominiert war. Aber natürlich freue ich über ihren heutigen Ruhm.
In der Vergangenheit gab es immer wieder Filme, die sich der untergehenden DDR und der deutschen Wiedervereinigung in komödiantischer Weise näherten, angefangen etwa von GOODBYE LENIN bis zuletzt STASIKOMÖDIE von Leander Haussmann. Sehen Sie ZWEI ZU EINS in dieser Tradition?
GOODBYE LENIN ist natürlich ein grossartiger Film. Daran gemessen zu werden, ist keine Schande. Aber ZWEI ZU EINS funktioniert auch jenseits dieses historischen Kontextes – den man ja mittlerweile kennt. Er hat noch eine andere Ebene, eine, die mir ebenso wichtig scheint und die unter unseren heutigen Verhältnissen hochaktuell ist.
Welche Aktualität sehen sie in ihrem Film?
Es geht mir darum, über Geld und Gerechtigkeit nachzudenken und dabei Fragen aufzuwerfen wie: Was ist Geld? Was ist Besitz? Wie will ich leben? Gerade jüngere Leute beschäftigen sich in der Gegenwart viel intensiver mit solchen Fragestellungen. Und was ist der Hände Arbeit noch wert im Verhältnis zu Geld, das man einfach auf das Bankkonto legt?
Ich möchte noch einmal in die Vergangenheit zurückkehren: Wie haben Sie den Zusammenbruch der DDR und das wilde Jahr 1990 erlebt – jenes Jahr, in dem ZWEI ZU EINS spielt?
Was den Mauerfall betrifft, so war ich mir in jenem Moment im November 1989 der Tragweite des Ereignisses nicht so bewusst. Es handelte sich um etwas, das für mich damals nicht nur geografisch ziemlich weit weg lag. Als Schülerin an der Schauspielschule in Bochum war ich voll auf meine Ausbildung konzentriert und ich hatte mich zu jener Zeit kaum darum gekümmert, was draussen in der Welt der Politik passierte. Erst später wurde mir bewusst, dass es millionenfache Träume gab und dass viele davon geplatzt sind. Durch den Gang der Ereignisse wurden viele Menschen knallhart ausgenutzt. Auch wenn ZWEI ZU EINS als leichte Komödie daherkommt, handelt er auch davon.
Mit meiner letzten Frage möchte ich noch etwas weiter zurück in Ihre eigene Vergangenheit: Sie wurden ja bekannt, als Sie 1980 als Vierzehnjährige die Rolle der Christiane F. in Ulrich Edels Drama WIR KINDER VOM BAHNHOF ZOO spielten. Welche Erinnerungen haben Sie daran?
Nun, ich wusste ja, dass diese Frage noch kommt (lacht). Natürlich ist es cool, wenn man als Dreizehnjährige vom Schulhof weg auf das Set einer grossen Filmproduktion engagiert wird. Die Arbeit am Set war toll. Wenn einen dann kurz darauf sein Gesicht von jeder Litfasssäule anblickt, ist das eher ein komisch-unangenehmes Gefühl. Rückblickend finde ich aber, dass es gut gewesen wäre, wenn es damals schon ein System von Agenten gegeben hätte, das mich ein wenig von dem ganzen Rummel abgeschirmt hätte. Aber ja, es war auch der Beginn meiner Karriere als Schauspielerin und ein Stück weit kann ich meinem Mann beipflichten, der mal gesagt hat: Du hast damals am Set den Himmel erlebt. Es gibt für mich nichts Schöneres, als gemeinsam mit anderen einen Film herzustellen.