«Producers on the Move» ermöglicht 20 europäischen Filmproduzenten anlässlich des Cannes Film Festivals internationale Kontakte zu vertiefen und gemeinsam Projekte zu entwickeln. 2017 ist es Ivan Madeo, dem auf Empfehlung von SWISS FILMS und der European Film Promotion diese Ehre zufällt.
Interview | Filmfestival Cannes | Ivan Madeo ist Schweizer Producer on the Move 2017
- Publiziert am 3. Mai 2017
Mit Ivan Madeo sprach arttv Chefredaktor Felix Schenker:
Was ist genau «Producers on the Move»?
«Producers on the Move» ist eine Initiative der European Film Promotion (EFP), bei der 20 aufstrebende Filmproduzenten aus ganz Europa nach bestimmten Erfolgskriterien ausgewählt werden. Diese handverlesenen Produzenten werden von der EFP international promotet und erhalten die Gelegenheit, sich im Rahmen des Cannes International Film Festivals zu treffen, sich auszutauschen und falls möglich miteinander internationale Projekte zu entwickeln. Das Ziel der EFP ist, die Arbeit der Produzenten, welche sonst praktisch immer im Hintergrund agieren, hervorzuheben und die Zusammenarbeit zwischen vielversprechenden Produktionsfirmen Europas zu fördern.
Was denken Sie, warum gerade Sie ausgewählt wurden?
Jedes Land schlägt einen Kandidaten vor, dieses Jahr hat SWISS FILMS mich empfohlen. Die eigentliche Selektion der Kandidaten macht die European Film Promotion nach einem Punktesystem. Dabei muss man als Produzent bestimmte Kriterien erfüllen: man muss im Hauptwettbewerb eines A-Festivals teilgenommen haben, eine Auszeichnung an einem A-Festival und im eigenen Land den Filmpreis für den Besten Spielfilm gewonnen haben, man muss Oscar-Erfahrung, möglichst viele Kinostarts im Ausland und weltweite Verkäufe vorweisen und dergleichen.
Wie sehen Sie den Schweizer Film im internationalen Vergleich?
Auf dem internationalen Parkett hat der Schweizer Film über viele Jahre, Jahrzehnte sogar, ein nur unbedeutendes Dasein gefristet. Kaum ein Schweizer Film hat es in den Hauptwettbewerb von Cannes, Berlin oder Venedig geschafft, geschweige denn in solch einem Top-Wettbewerb einen Hauptpreis gewonnen. Doch seit einigen Jahren scheint sich etwas zu bewegen: v.a. der «junge Schweizer Film» wird international sichtbarer. Junge Talente wie Tobias Nölle, Nicolas Steiner, Simon Jaquemet, Jan Gassmann und sowieso Ursula Meier haben Werke geschaffen, die eigenwillig, mutig und fortschrittlich sind. Ich bin überzeugt, dass sich der Schweizer Film nur so wieder mit der Weltklasse messen kann. Es ist deshalb zu hoffen, dass diese Entwicklung der Eigenwilligen, Mutigen und Fortschrittlichen anhält, damit der Schweizer Film auch wieder mal mit einem Löwen, einem Bären oder einer Palme geehrt werden kann.
Wo sehen Sie für den Schweizer Film die grössten Schwierigkeiten?
Irgendwie müssen wir es schaffen, aus der Bequemlichkeit herauszukommen: damit meine ich sowohl die Bequemlichkeit beim Machen von Schweizer Filmen als auch das bequeme Gefühl beim Schauen von Schweizer Filmen. Ich weiss, dass wir in der Schweizer Filmbranche oft darüber jammern, wie schwierig es ist, Finanzierungen zu stemmen und Filme zu realisieren – ich schliesse mich da selbst nicht aus. Doch wenn man es genau betrachtet und international vergleicht, geht’s uns Schweizern manchmal vielleicht zu gut – zu gut, um wirklich an den Schmerzpunkt zu gelangen, den man filmisch so festhalten kann, dass er die Zuschauer da draussen tief berührt.
Wie wichtig sind Filme in Ihrem Leben?
(lacht) Wie soll ich das sagen, damit ich nicht als «Freak» dastehe? Sagen wir’s mal so: momentan dreht sich so ziemlich mein ganzes Leben um Filme – mein ganzer Tag, meine Arbeit, mein Privatleben ist gefüllt mit dem Gedanken ans Filmemachen.
Leidet da nicht massiv die Beziehung und Ihr Freundeskreis darunter?
Doch, leider schon.
Sie produzieren gegenwärtig «Der Läufer», um was geht es in diesem Film?
«Der Läufer» ist ein aufwühlendes, düsteres Psychodrama. In diesem Spielfilm zeichnet Hannes Baumgartner das Psychogramm eines jungen erfolgreichen Sportlers, der aufgrund diverser Schicksale immer mehr die Kontrolle über sich verliert und allmählich zum brutalen Serientäter wird. Der Film geht der Frage der Ursache von Gewalt nach und will auf subtile Weise aufzeigen, dass Gewalt kaum je monokausal entsteht, sondern meistens einem komplexen Hintergrund entspringt und deshalb auch zwingend differenziert betrachtet werden muss.
Zur Person
Nach seiner Promovierung zum Psychologen und Filmjournalisten an der Universität Fribourg ist Ivan Madeo in einigen der grössten Werbeagenturen der Schweiz und Italiens tätig, während er gleichzeitig bei Kurzfilmen Regie führt. Er gründet die CONTRAST FILM in Bern und Zürich, in der er bis heute mit Stefan Eichenberger und Urs Frey Dokumentar- und Spielfilme entwickelt und produziert. Madeo wirkt an diversen Filmfestivals als Juror mit, u.a. an der Biennale di Venezia, am Molodist in Kiew und FICG Guadalajara in Mexiko. Seit 2016 ist er Mitglied der Fachkommission Dokumentarfilm beim Bundesamt für Kultur. Nun hat er nach vier Jahren Stiftungsrat das Internationale Kurzfilmfestival shnit verlassen, um sich einer anderen Initiative zu widmen, die ihm am Herzen liegt: der Zusammenführung aller Schweizer FilmproduzentInnen in einem einzigen grossen Produzentenverband. Seine grössten Erfolge als Filmproduzent waren bisher der viel diskutierte Kollektiv-Spielfilm «Heimatland» und der mit dem Schweizer Filmpreis ausgezeichnete Film «Der Kreis» unter der Regie von Stefan Haupt. Aktuell arbeitet Madeo am Spielfilm «Der Läufer» von Hannes Baumgartner, der sich in der Postproduktion befindet und 2017 seine Weltpremiere feiert.