Eine Zugerin hat den Tod vor Augen und stellt sich der unausweichlichen Tatsache. Michèle Bowley gewinnt auch diesem letzten Lebensabschnitt positive Seiten ab. Ihr Motto: «Ich sammle Leben, nicht Jahre». Das Regie-Paar Silvia Haselbeck und Erich Langjahr hat sie mit der Kamera begleitet. Eine Herausforderung für Filmer und Zuschauer.
DIE TABUBRECHERIN
Der Dokumentarfilm begleitet eine Frau, die sich mutig auf die Erfahrung des Sterbens einlässt.
DIE TABUBRECHERIN | SYNOPSIS
«Ich sammle Leben, nicht Jahre,» sagt Michèle Bowley. Diesem Leitmotiv bleibt sie bis ans Ende ihres Lebens treu. Sie stellt sich der Heftigkeit medizinischer Behandlungen. Aber auch im spirituellen Bereich und in der Natur holt sie sich immer wieder Hilfe. So findet sie zur Stille, zu sich selbst. Für Michèle ist das Sterben ein Abenteuer, auf das sie sich einlässt und das sie bis zum letzten Moment auskosten will.
Rezension
Von Rolf Breiner
Das Leben ist endlich. Doch wie gehen wir mit dem Unausweichlichen, dem Tod um? Die Zugerin Michèle Bowley arbeitete als Gesundheitspsychologin in Basel und Zug. Mag sein, dass ihre Berufserfahrung geholfen hat, mit der eigenen Gesundheit offen und ehrlich umzugehen. Die Diagnose Krebs wurde für sie zur Herausforderung. 2023 schrieb sie das Buch «Volle Pulle Leben, lebe Deins jetzt», begleitet vom Gedichtband «einlassen und loslassen», und ermunterte das Zuger Filmteam Silvia Haselbeck und Erich Langjahr, sie auf diesem letzten Lebensabschnitt zu begleiten. Ein ungewöhnlicher Schritt, eine Herausforderung für Filmer und Zuschauer.
Diagnose Krebs
Michèle Bowley bricht ein Tabu, setzt sich mit dem Sterben, ihren Sterben auseinander. Sie steht im Leben, lässt nicht los, ist gegenwärtig – bis zu den letzten Atemzügen. Die Filmer und damit auch wir begleiten sie auf diesem endgültigen Lebensabschnitt. Die Therapien sprechen an, der Krebs scheint besiegt. Ein neuer Horizont öffnet sich, dann der niederschmetternde Rückfall: Der Krebs ist zurück. Ein Todesurteil. Sie stellt sich der unerbittlichen Tatsache, findet zur Stille, zu sich selbst. Die Kamera begleitet sie – unauffällig, sozusagen mit freundschaftlichem Blick.
I did it my way
Das Paar Silvia Haselbeck und Erich Langjahr schuf seit Jahrzehnten ausserordentliche, vertiefende Dokumentarfilme wie EX VOTO (1986), MÄNNER IM RING (1990), SENNEN-BALLADE (1996) oder HIRTENREISE INS DRITTE JAHRTAUSEND (2002). TABUBRECHERIN setzt sich mit dem Leben auseinander. Für ein wunderbares Zwischenspiel ist Rico Langjahr verantwortlich. Für Michèle Bowley sang der Sohn des Filmerpaars das bekannte Lied «My Way» (Frank Sinatra), das Bowley sich für ihre Abdankung wünschte. Ein nahegehender, zärtlicher Moment, der typisch ist für diese ungewöhnliche intime Dokumentation – ein Zeugnis der Wertschätzung.
Fazit: Mit der TABUBRECHERIN dokumentieren Silvia Haselbeck und Erich Langjahr ein Stück Leben – sensibel, respektvoll, innig. Ganz im Sinne der Protagonistin. Trotz seiner aufrüttelnden Thematik macht der Film Mut.