Nach AND THEN WE DANCED meldet sich der georgische Regisseur mit CROSSING zurück. Auf der Reise von Batumi am georgischen Schwarzen Meer in die türkische Grossstadt Istanbul werden unerwartete Freundschaften geknüpft und ideologische Brücken überwunden. Zielgericht und unerschütterlich treiben die stolzen weiblichen Hauptfiguren Levan Akins Geschichte um Suchende und Verschwundene immer weiter voran.
CROSSING
CROSSING | SYNOPSIS
Die pensionierte Lehrerin Lia will das Versprechen an ihre Schwester erfüllen, deren Tochter Tekla zu finden, die seit Jahren als vermisst gilt. Vom jungen Nachbarn Achi erfährt Lia, dass Tekla das kleine Dorf in Georgien für ein aufregendes Stadtleben in der Türkei verlassen hat. Auch Achi spürt die Anziehung der Metropole auf der anderen Seite des Bosporus. So machen sich die beiden gegensätzlichen Persönlichkeiten auf die Suche nach Tekla – im chaotischen, exotischen und umwerfenden Istanbul.
CROSSING | WEITERE STIMMEN
«Die Begeisterung nach der Premiere im Zoopalast ist greifbar, der Applaus tosend und lang anhaltend, zu Recht.» – taz.de | «Gespitzt mit souveränem Witz und Charme warten vor allem die komplex gezeichneten Figuren auf, die sich sicherlich im Gedächtnis verankern werden.» | uncut.at | «Die Geschichte ist simpel, aber dennoch mitreissend. Mit seiner brillanten Erzählweise verleiht Levan Akin seinen Protagonist:innen eine aussergewöhnliche Menschlichkeit. Trans-Sexarbeiterinnen, Strassenkinder… Diese berührenden Beziehungen werden von einer Fünf-Sterne-Besetzung wunderbar dargestellt. Mzia Arabuli spielt eine scheinbar unnachgiebige Lia mit königlicher Haltung und durchdringendem Blick, atemberaubend von Anfang bis Ende. … Obwohl CROSSING als Drama inszeniert ist, verleihen sein Drehbuch und seine unglaubliche Besetzung Hoffnung und Fröhlichkeit.» – Maxime Maynard, cineman.de
Rezension
Von Doris Senn
CROSSING, das neue Werk von Levan Akin (AND THEN WE DANCED), folgt verschiedenen Figuren, deren Wege sich im Lauf der Geschehnisse im Trubel Istanbuls kreuzen. Im Zentrum die pensionierte Lehrerin Lia, die auf der Suche nach ihrer Nichte Tekla an den Bosporus reisen will, und Achi, ein junger Mann, der immer Hunger hat – vor allem aufs Leben. Achi sieht im Unterfangen Lias in erster Linie eine Möglichkeit, seinem ruppigen Bruder, in dessen enger, baufälliger Baute nahe dem Strand im georgischen Batumi er lebt, zu entkommen. Von Batumi aus, das an der Grenze zur Türkei liegt, nehmen die stoische Lia und der quirlige Achi den Bus und fahren dem Schwarzen Meer entlang bis Istanbul.
Ein «Liebesbrief an Istanbul»
An der Meerenge zwischen Europa und Asien taucht das ungleiche Paar ein in den türkischen Alltag, die engen Gassen der Grossstadt, seine orientalische Geschäftigkeit, das Gewimmel seiner Menschen und vor allem in die am Rand der Gesellschaft lebende Trans-Community, in der Tekla untergetaucht sein soll. Dort begegnen sie etwa Evrim, selbst trans und frisch gebackene Anwältin im Dienst unterdrückter Minderheiten, oder dem kleinen, mehr schlecht als recht die Baglama spielenden Izzet, der mit Gulpembe, einem Mädchen, das ebenfalls auf sich selbst gestellt ist, auf der Strasse lebt. Es ist ein «Liebesbrief an Istanbul», wie der Regisseur sagt, und damit an eine Stadt, die trotz repressiver, LGBTQ-feindlicher Regierung vielen gegensätzlichen Welten nebeneinander Platz gibt.
Autobiografische Anklänge
Levan Akin, der in Schweden aufgewachsen ist, aber in Batumi zur Welt kam und dessen Eltern aus der Türkei stammen, erkundet mit CROSSING seine Wurzeln. So hat er etwa die Busreise dem Schwarzen Meer entlang, zwischen Grosseltern in der Türkei und Verwandten in Georgien selbst unzählige Male gemacht, wie er in einem Gespräch sagt. Die Erzählung ist schlicht, die Figurenzeichnung ebenso – und doch vermag diese kleine filmische Odyssee durch die Viertel Istanbuls zu packen. Nicht zuletzt indem sie augenscheinlich einen Wandel in den Beteiligten selbst bewirkt: Die Begegnungen öffnen ihren Horizont – insbesondere etwa von Lia (Mzia Arabuli), die, wie der Regisseur sagt, ihn an die Intensität Anna Magnanis erinnert – und legen ihr verborgenes Inneres frei.
Fazit: Die grosse Qualität von CROSSING liegt in seiner mehrheitlich dokumentarischen Zeichnung Istanbuls, die den Film zu einem atmosphärischen Porträt dieser Stadt zwischen Ost und West, zwischen Meeresweite und einem Gewirr enger Gassen mit ihrem Gewusel von authentischen Menschen und Schicksalen machen. Regisseur Levan Akin inszeniert vor diesem Hintergrund ein eindringliches Plädoyer für Menschlichkeit und Akzeptanz queerer Lebensweisen.