In einer Volksabstimmung sollen sich die Schweizer:innen für eine der vier Landessprachen entscheiden, die landesweit eingeführt werden soll. Schnapsidee, Scherz, Polit-Intention oder totalitärer Kultureingriff? Auf jeden Fall ist diese Idee Regisseur Peter Luisi und seinem Mitmacher Beat Schlatter eine Komödie wert. So entstand ein Roadtrip in die Südschweiz, pardon Ticino, mit einem Deutschschweizer Bundespolizisten, dem das diktierte Französisch nur schwer über die Lippen kommt.
BON SCHUUR TICINO
Synopsis
Die Initiative «NO BILINGUE» fordert fortan nur noch eine Landessprache! Die Folge: Eine verrückte Volksabstimmung, die unser Land in einen chaotischen Ausnahmezustand versetzt. Insbesondere dann, als es tatsächlich national heisst: Die Schweiz wird einsprachig – französisch! Viele Bürger:innen durchleben deshalb eine Krise. So auch Walter Egli (gespielt von Beat Schlatter), der bei der Bundespolizei arbeitet und dafür sorgen muss, dass der Übergang in die Einsprachigkeit ordnungsgemäss vonstattengeht. Gemeinsam mit seinem welschen Partner soll er eine im Süden der Schweiz aufkeimende Widerstandsgruppe aufdecken, die sich mit allen Mitteln gegen die Umsetzung der Initiative wehrt.
Rezension
Von Rolf Breiner
Des Volkes Meinung gilt – doch auch, wenn Minderheiten sich durchsetzen oder Politiker ihr Süppchen kochen? Was direkte Demokratie oder eine Initiative so alles infrage stellen oder bewegen können, kennt keine Grenzen – innerhalb der Schweiz. Die Überheblichkeit und Dominanz der Deutschschweizer:innen sind vielen Landsleuten ein Dorn im Auge (oder auf der Zunge), ein Ärgernis, eine Zumutung, eine Herausforderung. So fordert die Initiative «No Bilingue» nur noch eine Landessprache. Infolge einer verrückten Volksabstimmung soll eine Minderheit ihr Sprachrecht bekommen. Ergebnis: Die Schweiz soll einsprachig werden – französisch! Da stehen manchen Deutschschweizer:innen die Haare zu Berge, oder?!
Herz, Verstand und Sprache
Der Bundespolizist Walter Egli (Beat Schlatter) soll nun für Recht und Sprache sorgen. Gemeinsam mit seinem Welschen Kollegen Jonas Bornard (Vincent Kucholl) observiert er eine Widerstandsgruppe im Tessin. Die im Süden der Schweiz aufkeimende Gruppierung wehr sich mit Tessiner Temperament gegen die Umsetzung der Initiative. Anführer dieser Aufständler gegen die «Volksentscheidung» ist Enzo Castani (Leonardo Nigro). Auch die attraktive Francesca (Catherine Pagani) mischt ein bisschen mit, vor allem aber ist sie dem bieder-braven Bundesermittler Egli aus Bern ins Auge bzw. Herz gefallen. Da könnte doch das Herz über Pflicht und Verstand siegen …
Ironisch und volkstümlich
Das kann ja heiter werden, ja dramatisch, weil die Tessiner «Guerillas» unter Enzos Führung einen Anschlag im Gotthardtunnel planen. Und das alles, um die Schweiz total auf Französisch zu trimmen. Das Drehbuch weiss Rat: Der Drahtzieher der erfolgreichen Initiative (Beat Schlatter in einer Doppelrolle) ist nicht sauber, und Egli kommt ihm auf die Schliche. Die Idee vom französischen Übergriff ist ein typischer Schlatter: ein Gaudi mit Hintersinn eben. Beat Schlatter mimt, was er kann, und Peter Luisi spielt gekonnt auf der Tastatur der Satire.
Ein satirisches Experiment
Persönlichkeiten aus dem öffentlichen Medienleben wie Urs Gredig oder Nathalie Christen wirken dabei ebenso mit wie Pascale Bruderer, ehemalige Nationalratspräsidentin, die sich gleich selbst darstellt. Es gibt zahlreiche treffende Anspielungen und Insiderscherze, aber auch eine biedere Liebesgeschichte und Versöhnungen-komm-Teufel-heraus. Luisi und Schlatter haben ein Ideenexperiment auf die Leinwand gebracht mit schlitzohriger Biederkeit und unschuldigem Augenzwinkern. Leichte Kost, nicht vegan, aber deftig schmackhaft.
Fazit: BON SCHUUR TICINO ist eine schmissige Komödie zwischen Kasperlitheater und Gesellschaftssatire, witzig im Detail, ironisch bis zur Perücke und amüsant volkstümlich.