Seine Langfilme sorgten in letzter Zeit international für Aufsehen: Zeit, auch einen Blick auf die Kurzfilme jenes Landes zu werfen, das seinen Namen von Kolumbus ableitet und bis heute mit seiner kolonialen Vergangenheit kämpft. Winterthur widmet Kolumbien drei Filmblöcke.
20. Internationale Kurzfilmtage Winterthur | Land im Fokus: Kolumbien
- Publiziert am 8. November 2016
Juventud, divino tesoro
In diesem Block wird die kolumbianische Gesellschaft von innen beleuchtet, mit Blick auf den Alltag junger Menschen. Der Fokus liegt auf dem Übergang von der Kindheit zum Erwachsenenalter, auf dem Verlust der Unschuld durch den unausweichlichen Zusammenstoss mit der komplexen Realität. Liebe, Versuchung, Begierde und Hoffnung sind eng mit Verlust, Ablehnung, Apathie und Betrug verbunden. «Leidi» beispielsweise handelt von Leidi, die mit ihrer Mutter und ihrem Baby zusammenlebt. Alexis, der Vater des Kindes, ist seit Tagen nicht aufgetaucht. Eines sonnigen Morgens schickt ihre Mutter sie zum Einkaufen und Leidi erfährt per Zufall, dass Alexis mit einem anderen Mädchen zusammen ist. Leidi vergisst den Einkauf und macht sich auf die Suche. Sie wird nicht nach Hause zurückkehren, bis sie den Vater ihres Kindes gefunden hat. (Regie: Simon Mesa Soto, Grossbritannien/Kolumbien 2015, 15’ 40”).
O Colombia! My Colombia!
Kolumbien ist ein Auswandererland. Auch eine wachsende Zahl kolumbianischer Filmemacher studiert im Ausland, um andere Lebensstile und ästhetische Traditionen kennenzulernen. Wie wird Kolumbien durch die Augen jener gesehen, die das Land verlassen haben? Die dominanten Themen der Filme sind Erinnerung, Schmerz und Konflikt, aber immer wieder auch eine Ehrenrettung mit viel Respekt für den kolumbianischen Lebensstil. Anstatt zu urteilen oder absolute Wahrheiten zu verkünden, erlauben sich die Filmemacher Fragen und Lücken und laden das Publikum ein, genau hinzuschauen und selbst Antworten zu finden. «To the Dead» etwa ist ein filmischer Essay von Mauricio Arango, in welchem er persönlichen Reflektionen zu einem Porträt der politischen und sozialen Konflikte Kolumbiens verwebt. Die Erzählerstimme verzichtet auf die Autorität eines offiziellen Berichterstatters und zeigt, wie sich das Persönliche mit dem Gesellschaftlichen und Politischen überschneidet. Die widersprüchlichen Gedanken und Gefühle der Erzählung erinnern daran, dass das Intime und Traumatische in der offiziellen Geschichtsschreibung oft ausgespart wird. (Regie: Mauricio Arango, USA/Kolumbien 2016, 8’ 20”).
Caliwood
Das Kollektiv El Grupo de Cali, auch als Caliwood bekannt, wurde in den 1970er-Jahren in der kolumbianischen Stadt Cali von Filmemachern, Künstlerinnen und Schriftstellern gegründet. Die Werke versprühen einen aufrichtigen Anti-Establishment- und Anti-Mainstream-Geist. Sie sind hochkritisch, wobei mittels Humor Widerstand praktiziert und Vorurteile aufgedeckt werden. Die Kurzfilme dieses Programms zeichnen ein intimes Porträt des militanten kolumbianischen Kinos im Kontext des Dritten Kinos und des Neuen Lateinamerikanischen Films. «Agarrando pueblo» («The Vampires of Poverty») zum Beispiel ist eine Parodie auf die Mängel des «Sozialkinos»: Zwei kolumbianische Filmemacher durchstreifen die verarmten Quartiere von Bogotá und Cali auf der Suche nach Bildern des Elends, die sie für eine Produktion im Auftrag des deutschen Fernsehens brauchen. (Regie: Luis Ospina, Carlos Mayolo, Kolumbien 1977, 28’).