In ihrer Uraufführung am Luzerner Theater entführen Autorin Sarah Calörtscher und Regisseurin Anna-Maria Lipponen in eine Zwischenwelt, in der Sterben zum Self-Care-Ritual und Unsterblichkeit zur Verheissung wird. «Die Rückkehr der Fährfrauen» erzählt grotesk und poetisch vom Verlust der Übergänge.
Untote Podcaster und Sterben als Self-Care-Ritual?
In einer Zeit, die den Tod zu vergessen sucht, bleibt auch das Leben im Transitbereich stecken.
Zur Autorin: Sarah Calörtscher
Sarah Calörtscher schreibt dort, wo die Gegenwart Spannungen erzeugt – und wo Humor eine ernsthafte Frage nicht entkräftet, sondern schärft. Die 1996 geborene Schweizer Dramatikerin interessiert sich für das Verdrängte, das Unbequeme und die Grenzbereiche zwischen Lachen und Unbehagen. Während ihrer Zeit als Hausautorin am Luzerner Theater entstand der Text zu «Die Rückkehr der Fährfrauen». 2024 wurde sie für «Herz aus Polyester» mit dem Kleist-Förderpreis ausgezeichnet. Calörtscher arbeitet nah an der Bühne, im Austausch mit Ensembles und Regieteams.
Zur Regie: Anna-Maria Lipponen
Anna-Maria Lipponen studierte an der Zürcher Hochschule der Künste und bringt internationale Theatererfahrung mit: Seit 2019 inszeniert sie auf Bühnen in Skandinavien, Mitteleuropa und dem Baltikum. Mit «Die Rückkehr der Fährfrauen» gibt sie ihr Debüt am Luzerner Theater — ein Schritt, der ihre Vision von Theater als offenes, vielstimmiges Feld unterstreicht. Lipponens Inszenierungen setzen bewusst auf eine Mischung aus Ästhetik und radikaler inhaltlicher Klarheit, mit einem feinen Gespür für Stimmung, Raum und Haltung.
Zwischen Wellness-Tod und Zukunftsangst
Unsere Gesellschaft verdrängt den Tod — und riskiert dabei, auch den Wandel zu verlernen. In einer Kultur, die Selbstoptimierung predigt, wird Sterben zur letzten Problemzone: kontrolliert, verschoben, am besten unsichtbar. „Die Rückkehr der Fährfrauen“ am Luzerner Theater nimmt diese Verdrängung ins Visier. Sarah Calörtscher und Regisseurin Anna-Maria Lipponen führen uns in ein absurd-satirisches „Happy Dying Retreat“, wo Sterben zum Self-Care-Ritual mutiert und moderne Menschen Effizienz auch im Endlichen suchen. Untote Podcaster, ein ausrangierter Schauspieler im Rausch des Nachruhms und eine Filmemacherin auf der Suche nach dem perfekten Werbespot – das Stück zeigt mit bitterer Komik eine Gesellschaft, die sich unsterblich glaubt und deshalb im Übergang stecken bleibt.
Was wir verlieren, wenn wir Endlichkeit verleugnen
Calörtscher erinnert daran, dass Enden Voraussetzung für Erneuerung sind. Doch wer den Tod leugnet, leugnet Veränderung — und riskiert Stagnation. Das Stück spiegelt ein kollektives Dilemma: In Zeiten globaler Krisen halten wir an falscher Stabilität fest, statt den Mut zur Transformation zu entwickeln. Die Fährfrauen*, einst Hüterinnen von Übergängen, sind arbeitslos geworden – und genau darin liegt die Warnung: Ohne Rituale des Loslassens verlieren wir die Zukunft. „Die Rückkehr der Fährfrauen“ macht sichtbar, wie dringend wir wieder lernen müssen, Abschiede zu gestalten — als Einladung zum Neubeginn.

