SCHWEIZER ERSTAUFFÜHRUNG – Das Luzerner Theater wagt sich an ein «unaufführbares» opulentes Welttheater, das sich um ein spanisches Dorf dreht.
Luzerner Theater | Worte Gottes
Opulentes Welttheater
Die «erdig trübe, barfüssige Schattengestalt» Juana la Reina besitzt nicht viel. Ihr einziges Kapital ist ihr Sohn, ein wasserköpfiger Zwerg, den sie auf Jahrmärkten zur Schau stellt. Die Kreatur, die sabbernd und fauchend in einem Schweinetrog auf Rädern sitzt, ist eine kleine Goldgrube, die den Neugierigen und Barmherzigen immer wieder Almosen aus der Tasche lockt. Als Juana stirbt, entbrennt ein Streit um das lukrative Erbteil. Die beiden Schwägerinnen, denen «el idiota» nun zufällt, einigen sich schliesslich darauf, abwechselnd mit ihm über Land zu ziehen. Doch während die eine nur schlecht verdient, geht die andere ganz und gar in der Vermarktung des Elends auf – und nutzt obendrein die Möglichkeit, aus dem Bett ihres Mannes in die Arme des Gauners Lucero zu flüchten.
Wegbereiter der Moderne
Geboren im Jahr 1866, gestorben 1936, zählt der Autor Ramón María del Valle-Inclán in seiner Heimat Spanien zu den bedeutendsten Wegbereitern der literarischen Moderne. Was er in seinen Stücken zu Papier bringt, sind pralle, barocke, dem Volkstheater abgelauschte Geschichten: archaische Dorfwelten zwischen katholischer Litanei und heidnischem Aberglaube – eine dramatische Ursuppe, bevölkert von grellen, schwermütigen und zwielichtigen Gestalten, aber auch von sprechenden Hunden, gefiederten Propheten und haarigen Bocksgeistern. Im deutschsprachigen Raum sind Valle-Incláns Theatertexte bisher weitgehend unbekannt geblieben: Das 1920 entstandene Stück «Worte Gottes» ist in Luzern als Schweizer Erstaufführung zu erleben. Neben dem gesamten Schauspiel-Ensemble stehen dabei auch Mitglieder von Luzerner Laienspielgruppen mit auf der Bühne.