Mehr als 20 Hauptkonzerte, zahlreiche kostenfreie Veranstaltungen, Festivalwanderungen und einmalige Musikerlebnisse erwarten das Publikum vom 2. bis 16. August 2025. Das Festival, das unter dem Motto «Zeitlos» über die Bühne geht, bietet auch eine Novität. Intendant Marco Amherd hat den Schweizer Komponisten Lukas Stamm mit einem Werk zum Thema Refugium beauftragt. Gepflegt werden traditionsgemäss auch junge Talente. «Young Artists in Concert» ist ein regelrechter Pfeiler des Festivals.
40 Jahre Davos Festival
- Publiziert am 23. Juni 2025
Ausgewählte Programmhighlights des 40. Davos Festivals
Zeitreise
Sonntag | 3. August 2025 | 17 Uhr | Eisstadion Davos
Im Jahr 1895 veröffentlichte der Engländer H. G. Wells seinen ersten Roman «Die Zeitmaschine». Als Albert Einstein 1905 seine Spezielle Relativitätstheorie vorstellte, warf er die überlieferte Vorstellung von Raum und Zeit über den Haufen. Etwas, was zuvor nur in der Fantasie von Science-Fiction-Autoren wie Wells existiert hatte, war nun theoretisch möglich: Reisen in die Zukunft und in die Vergangenheit. Im Konzert «Zeitreise» werden zwar keine Werke rückwärts gespielt, doch vor allem wird die gängige Vorstellung von Raum und Musik auf die Probe gestellt. Wie klingt ein Saxophonquartett auf der Eisfläche? Wie passt Eiskunstlauf dazu? Und welche antiken Legenden erzählt die Harfenmusik von Henriette Renié? Im Quartett von François Devienne erlebt man das Fagott zudem als eigenwilliges Soloinstrument. Eine vergnügte Reise durch Raum und Zeit im Eisstadion Davos, das in diesem Konzert ganz andere Seiten von sich zeigt: Harfenklänge statt Fangesänge. Oder am Ende vielleicht beides?
Hoch soll er leben!
Donnerstag | 7. August 2025 | 20.30 Uhr | Hard Rock Hotel Davos
König Friedrichs Geburtstagsfeier
Am 24. Januar 1758 feierte Friedrich II. seinen 46. Geburtstag – und wir sind mit dabei! Johann Joachim Quantz führt als Zeremonienmeister durch die Feierlichkeiten und Musiker aus Friedrichs Hofkapelle sowie die begnadetsten Komponisten Deutschlands spielen auf. Wilhelm Friedemann Bach hat sogar eigens für diesen Anlass eine Geburtstagskantate komponiert. Doch Musik ist nicht alles: Es wird getanzt, gelacht und gespielt, wie es sich für ein Fest für einen König gehört. Ein interaktives Konzert, gespielt auf historischen Instrumenten. Musik von Telemann, Bach, Graun, Quantz u. a.
Zeitenwende
Montag | 11. August 2025 | 20.30 Uhr | Kirchner Museum
Der Begriff Zeitenwende wurde 2022 zum Wort des Jahres gewählt. Der damalige deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz sprach am 27. Februar 2022 vor dem Bundestag über die Zeitenwende, die durch den russischen Überfall auf die Ukraine begonnen habe. Der Begriff wird oft historisch, futuristisch und politisch verwendet, aber meist ohne klare Zuordnung oder Begründung. Wo lässt sich der Wandel der Zeit besser erkunden als in einem Museum? Als Kirchner Anfang des 20. Jahrhunderts mit der Fotografie begann, konnte er bereits auf eine Generation fotografisch geschulter Maler zurückblicken, die in der Lage waren, Manipulationstechniken der Fotografie in ihre Malerei zu integrieren. So verschmolzen auch in seinem Œuvre Techniken aus verschiedenen Zeiten miteinander, die in der aktuellen Ausstellung zu sehen sind. Dazu erklingt eine farbige Zusammenstellung von Werken, die wie Gemälde u. a. einen Einblick in japanische, lettische und amerikanische Lebenswelten gewähren. Sechzehn Musiker:innen werden jeden noch so versteckten Winkel des Museums bespielen, mit Streich- und Blasinstrumenten sowie mit der menschlichen Stimme.
Davos Festival — Young Artists in Concert
Faltenfrei
Dienstag | 12. August 2025 | 20.30 Uhr | Hotel Schatzalp
Ein faltenfreies Aussehen ist für viele Menschen ein Schönheitsideal. Ob glatte Haut, knitterfreie Kleidung oder faltenlose Stoffe – der Wunsch nach Perfektion ist allgegenwärtig. Das Streben nach der ewigen Jugend ist jedoch eine Illusion, eine Märchengeschichte, die uns davon abhält, die Vorzüge des Alters zu geniessen. Mit jedem Lebensjahr sammeln wir Erinnerungen. Falten erzählen Geschichten vom gelebten Leben. Anstatt sie als Makel zu betrachten, könnten wir lernen, die Schönheit des Unperfekten zu schätzen. Im stilvollen Ambiente des Hotels Schatzalp begeben wir uns in die Welt der Märchen und Geschichten. Das Quintett von Grażyna Bacewicz erzählt wie ein älteres Gesicht tiefgreifende Geschichten vom Leben – Märchen von Paul Juon und Leoš Janáček entführen uns in eine Zauberwelt. Paul Juons Grossvater war Bündner Zuckerbäcker. Juon wurde in Moskau geboren und lebte viele Jahre in Deutschland, zeigte jedoch zeitlebens grosses Interesse an seinen Schweizer Wurzeln und liess sich 1922 das Bürgerrecht in Masein bestätigen. Aufgrund gesundheitlicher Probleme und vermutlich auch wegen der politischen Entwicklungen im nationalsozialistischen Deutschland trat er 1934 vorzeitig in den Ruhestand. Er liess sich in Vevey nieder, wo er am 21. August 1940 verstarb.
Endzeit
Donnerstag | 14. August 2025 | 20.30 Uhr | Kirche St. Johann
Juni 1940, auf einem Feld bei Toul westlich von Nancy: Nach der Niederlage Frankreichs hatten die Deutschen dort «Tausende von erschöpften, verratenen Soldaten wie in einem Fischernetz zusammengepfercht», wie sich der Dichter Guy Bernard später erinnerte. Die Franzosen hausten unter freiem Himmel und warteten auf den Abtransport in die schlesischen Lager. Mitten in dem Trubel brachte der Klarinettist Henri Akoka unter freiem Himmel vor Tausenden von Mitgefangenen ein Solostück zur Uraufführung, das Olivier Messiaen im Lager für ihn geschrieben hatte. Der Cellist Régis Pasquier diente ihm als Notenständer. Ab und zu geriet der Solist ins Stocken und Fluchen: «Das werde ich niemals können!» Doch der Komponist beruhigte ihn: «Keine Bange, du wirst schon sehen.» Die Uraufführung des gesamten Werks fand unter nicht weniger berührenden und dramatischen Umständen statt als die des Klarinettensolos auf einem Acker bei Nancy: Im Stalag VIIIA bei Görlitz, wo «achttausend Belgier und vierzigtausend Franzosen in ein Lager mit dreissig Baracken kamen», war eine Baracke zum Lagertheater umgebaut worden, eine andere zur Kirche. In Letzterer räumte man Messiaen eine Ecke zum Komponieren ein, in Ersterer kam am 15. Januar 1941 das vollendete Quatuor pour la fin du temps zur Uraufführung, das Messiaen auf Notenpapier geschrieben hatte, welches ihm ein deutscher Hauptmann besorgt hatte. Auch die deutsche Lagerleitung war anwesend, umgeben von vierhundert Franzosen, die wegen der Januarkälte in geflickte tschechische Uniformen und Holzpantoffeln gesteckt worden waren, um der Uraufführung des Quartetts zu lauschen. In seinen eigenen Erinnerungen hat Messiaen die Zahl der Zuhörer auf fünftausend erhöht, was sicher symbolisch gemeint war. Denn mit dem inneren Ohr hörte damals tatsächlich das halbe Lager zu: «Das Publikum war eine äusserst vielfältige Mischung aus allen Gesellschaftsschichten – Landarbeiter, Hilfsarbeiter, Intellektuelle, Berufssoldaten, Ärzte und Geistliche. Nie wieder hat man mir mit solcher Aufmerksamkeit und solchem Verständnis zugehört wie damals», schrieb Messiaen Jahrzehnte später.
Davos Festival — Young Artists in Concert
Mitte des Lebens
Freitag | 15. August 2025 | 20.30 Uhr | Kongresszentrum Davos
Die Philosophin Barbara Bleisch regt in ihrem Buch «Mitte des Lebens» dazu an, die Jahre zwischen 35 und 65 nicht als Bedrohung, sondern als Chance für Reflexion und Neuausrichtung zu sehen. Bleisch betont, dass die Lebensmitte eine Zeit für retrospektives und prospektives Denken ist, in der man sowohl zurückblickt als auch neue Ziele für die Zukunft setzt. So lotet auch das 40-jährige Davos Festival immer wieder die Balance zwischen der Bewahrung des Erbes und der Setzung neuer Impulse aus. Die amerikanische Komponistin Missy Mazzoli hat ihr Werk Dark with excessive bright mit 38 Jahren geschrieben. Obwohl das Stück lose auf barocken Idiomen basiert, wechselt es zwischen Streichtechniken aus mehreren Jahrhunderten und verfremdet dabei ein Muster wiederholter Akkorde bis zur Unkenntlichkeit. Es greift mühelos Einflüsse von der Barockmusik bis zum Indie-Rock auf und bewegt sich von schlichter Schönheit bis zu einem Chaos jenseits aller Grenzen. Dark with excessive bright – eine Phrase aus Miltons Paradise Lost – ist eine surreale und eindrucksvolle Beschreibung Gottes, verfasst von einem blinden Mann. Für das «bayerische Pompeji», also das zerbombte München, schrieb Richard Strauss sein interessantestes Spätwerk, die Metamorphosen für 23 Solostreicher. Jede einzelne Stimme zählt – und kehrt in ihrer ursprünglichen Form nie wieder. Den äusseren Anstoss zur Komposition der Metamorphosen hatte Strauss im August 1944 durch den Schweizer Dirigenten Paul Sacher erhalten, der ein etwa halbstündiges Streicherstück für das Collegium Musicum Zürich in Auftrag gab. Es ist ein klangliches Spiel mit feinen Zwischentönen – und ein Abgesang des Komponisten auf die deutsche Kultur: Am Ende zitiert er den Trauermarsch aus Beethovens Eroica. Darunter notierte Strauss auf der letzten Seite der handschriftlichen Partitur: In memoriam!