Die politische Diskussion, wie man Onlinemedien im Hinblick auf demokratische Teilhabe und kulturelle Vielfalt nachhaltig fördern kann, plätschert zwar weiter, das Ziel jedoch, eine vielfältige, qualitativ hochstehende Medienlandschaft sicherzustellen, die zur demokratischen Meinungsbildung beiträgt, liegt in weiter Ferne.
Die Schweizer Medienpolitik kommt nicht vom Fleck
- Publiziert am 21. Juni 2025
Ein Plädoyer von Jean-Pierre Hoby, Präsident von arttv.ch, für eine umfassenderes Medienverständnis.
Beitrag von Jean-Pierre Hoby
200 Franken sind NICHT genug!
Letztes Jahr konnte man noch melden, die Schweizer Medienpolitik sei auf der Kriechspur. Jetzt müssen wie eher sagen, es herrsche Stillstand. Mit dem Nein der Schweizer Stimmbevölkerung zum Medienförderungsgesetz kam die Möglichkeit der Förderung von Onlinemedien seitens Bundesamt für Kommunikation (BAKOM) nicht mehr in Frage. Kommt dazu, dass seit einigen Jahren politische und gesellschaftliche Kreise bestrebt sind, die SRG/SSR (Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft) in ihrer Rolle und Finanzierung zu beschneiden oder neu auszurichten. Begonnen hat dies mit der No-Billag-Initiative (vollständige Abschaffung der Radio- und Fernsehgebühren), die vom Volk 2018 zwar deutlich abgelehnt worden war. Sie hat jedoch eine anhaltende Debatte über den Umfang und die Finanzierung des Service public ausgelöst. Momentan steht unter dem Titel «200 Franken sind genug!» eine neue Volksinitiative zur Diskussion. Sie bezweckt, die aktuelle Empfangsgebühr von 335 Franken auf maximal 200 Franken pro Jahr zu senken. Die Initiative wird voraussichtlich 2026 vor das Volk kommen.
Breite Debatte
Parallel dazu ist der Vorschlag von Bundesrat Albert Rösti vom Bundesrat genehmigt worden, die Abgabe für Haushalte schrittweise auf 300 Franken pro Jahr zu reduzieren. Der Beschluss dient als indirekter Gegenvorschlag zur Volksinitiative «CHF 200 sind genug!» und ist Teil einer umfassenderen Strategie zur Neuausrichtung der SRG/SSR. Dabei soll der Auftrag der SRG/SSR präzisiert und stärker auf Information, Bildung und Kultur ausgerichtet werden. Wir stehen also mitten in einer breiten Debatte darüber, welchen Auftrag die SRG/SSR in Zukunft haben soll, wie viel Geld ihr zusteht und wie sie mit privaten Medien koexistieren soll. Dies ist für arttv.ch insofern von Bedeutung, als die Möglichkeiten einer Kooperation keine Priorität mehr haben.
Hoffen auf das Bundesamt für Kultur
Wir müssen uns deshalb überlegen, ob und welche Möglichkeiten uns in diesem Umfeld überhaupt zur Verfügung stehen, um Unterstützung zu erlangen. Seitens BAKOM sind die Türen momentan verschlossen. Anders ist die Situation beim Bundesamt für Kultur (BAK), unserem zweiten Ansprechpartner. Bereits seit 2022 erhält arttv.ch vom BAK unter dem Titel «Förderung der Filmkultur» für das Filmmagazin Click Cinema einen jährlich Beitrag von 50 000 Franken, der allerdings an die Erfüllung strenger Vorgaben geknüpft ist. Der Beitrag bezweckt die Expansion in die Romandie mit dem Ziel, Filme, Talente und Festivals, die in der welschen Schweiz aktuell sind, durch Kritiken, Interviews, Porträts und Dossiers zu präsentieren und so den Austausch zwischen der Deutschschweiz und der Romandie zu fördern. Projektleiterin ist Ondine Perier. Die Förderung ist einstweilen bis Ende 2025 befristet. Wir werden uns in jedem Fall um die Weiterführung der Unterstützung bemühen, denn das Magazin wurde als pionierhaftes digitales Filmmagazin mit hohem Qualitätsanspruch in der Filmkritik, interessanter Themenwahl und professioneller Umsetzung qualifiziert. Das BAK anerkennt damit die überregionale Bedeutung und Qualität des Angebots. Im Weiteren hat die Diskussion um Kulturjournalismus im Rahmen der Kulturbotschaft 2025–2028 an Bedeutung gewonnen. Ziel ist nach wie vor, den Kulturjournalismus explizit in die Kulturförderung des Bundes aufzunehmen und dafür die gesetzlichen Grundlagen im Kulturförderungsgesetz zu schaffen. Konkrete Ergebnisse liegen aber noch nicht vor.
Hilf dir selbst, so hilft dir Gott
Wir nehmen somit die Initiative erneut in die eigene Hand. Wie im letzten Jahresbericht ausgeführt, ergeben sich für arttv.ch durch den weitgehenden Rückzug der grossen Medienhäuser aus der Kulturberichterstattung auch neue Chancen. Wir können sie ergreifen, wenn wir für die Bevölkerung, für private und öffentliche Geldgeber sowie für Auftragsproduzenten (noch) attraktiver und bekannter werden. Da arttv.ch der Kulturvermittlung verpflichtet ist, beinhaltet unsere Plattform sowohl Informationen über das kulturelle Leben als auch Rezensionen. Sie widerspiegelt gleichzeitig die Kulturförderungspolitik der Kantone. Das ist auch der Grund, dass wir von zahlreichen Kantonen Beiträge erhalten. Auf dieser Schiene fahren wir weiter, auch wenn der Weg beschwerlicher geworden ist, da einige Kantone ihre Unterstützung aus finanziellen Überlegungen zurückgefahren oder aufgekündigt haben.
Parallel zu unserer Kommunikations- und Social-Media-Strategie, die wir im letzten Jahresbericht erläutert hatten, wollen wir uns auch an Schweizer Kulturstiftungen richten, die für ein Projekt wie arttv.ch Interesse zeigen könnten. Dazu gehören u. a. das Migros-Kulturprozent, resp. Engagement.migros.ch, die Stiftung für Medienvielfalt sowie der Media Forward Fund (MFF), ein 2024 lancierter länderübergreifender Förderfonds, der gezielt gemeinnützige Qualitätsmedien unterstützt und von mehreren Stiftungen getragen wird (u. a. Volkart.ch, Stiftung-Mercator.ch). In den Gesuchen betonen wir unsere Alleinstellungsmerkmale.
Alleinstellungsmerkmale (Unique Selling Points, USP) von arttv.ch
arttv.ch ist seit 2004 als Schweizer Kulturfernsehen im Netz aktiv und hat sich zur führenden audiovisuellen Kulturplattform des Landes entwickelt. Die Plattform zeichnet sich durch folgende Alleinstellungsmerkmale aus:
Umfassende Berichterstattung: arttv.ch deckt ein breites Spektrum kultureller Bereiche ab, darunter Theater, Tanz, Kunst, Film, Literatur und Musik.
Multimediale Inhalte: arttv.ch ermöglicht durch den Einsatz von kurzen Videobeiträgen einen direkten und lebendigen Zugang zu kulturellen Ereignissen und Themen.
Fokus auf Schweizer Kultur: Die Plattform legt besonderen Wert auf die Förderung und Sichtbarmachung der Schweizer Kulturszene und bietet Künstlerinnen und Künstlern eine prominente Bühne.
Nicht-kommerzieller Ansatz: Als Verein konzentriert sich arttv.ch auf die Kulturvermittlung im Internet, ohne kommerzielle Interessen zu verfolgen, was Authentizität und Unabhängigkeit in der Berichterstattung gewährleistet.
Verankerung in der Kulturförderung zahlreicher Kantone: Die Beiträge der Kantone bürgen für nationale Relevanz
Kostenlose Zugänglichkeit: arttv.ch trägt dazu bei, die kulturelle Teilhabe zu erleichtern, insbesondere bei jüngeren und digital affinen Zielgruppen. Die Plattform bietet auch ausserhalb urbaner Zentren einen niedrigschwelligen Zugang zum kulturellen Leben.
Förderung von Innovation und Verbreitung von Fachwissen: arttv.ch setzt auf Videojournalismus, Interviews, Social-Media-Formate und crossmediale Erzähltechniken, um Kultur im digitalen Raum attraktiv zu vermitteln.