Die aktuelle Ausgabe der arttv Literatursendung MEPHISTO dreht sich unter dem Titel «Tiefer Fall» um menschliche Abstürze und Abgründe, um das Scheitern und den Kontrollverlust. Im Zentrum steht der neue grandiose Lebensbericht «Panikherz» von Benjamin von Stuckrad-Barre.
Literatursendung Mephisto | Tiefer Fall
Benjamin von Stuckrad-Barre: Panikherz
«Panikherz» ist das Comeback eines Überlebenden: Benjamin von Stuckrad-Barre, einst als Deutschlands führender Popliterat bejubelt (und verschrien), hatte sich auf dem Höhepunkt seines Ruhms systematisch zugrunde gerichtet: Essstörungen, Drogensucht, komplette Verwahrlosung. Stuckrad-Barre seziert seinen eigenen Niedergang im gleichen schonungslosen und spöttischen Tonfall, den man aus seinen Romanen kennt – und mit dem er als Journalist auch oft genug gegen Figuren des öffentlichen Lebens ausgeteilt hat. In seinem Lebensbericht beschreibt er nun jedoch nicht nur seine Abkehr von den Drogen, sondern auch seine Abkehr von der herablassenden Ironie als Lebenshaltung, die ihn nach eigenen Angaben mindestens ebenso sehr zerstörte. Zu seinem Leitbild, besten Freund und Symbol der Rettung wird ausgerechnet – Udo Lindenberg.
Heinz Strunk: Der goldene Handschuh
In «Der goldene Handschuh» erzählt Heinz Strunk die Geschichte des vierfachen Prostituiertenmörders Fritz Honka. Honka ist der Archetyp des Verlierers. Seit seiner Jugend gequält und misshandelt, äusserlich entstellt, schwer alkoholabhängig, wünscht er sich eigentlich nur eines: einmal in seinem Leben noch eine junge und gesunde Frau. Aber das ist eben auf normalem Weg nicht mehr zu machen. Heinz Strunk beleuchtet das Milieu der heruntergekommenen Alkoholiker von St. Pauli und zugleich auch die Geschichte einer schwerreichen Hamburger Reeder-Dynastie, tut dies aber mit solch sprachlicher Präzision und solch schwarzem Humor, dass grosse, unterhaltsame Literatur dabei herausgekommen ist.
Christoph Höhtker: Alles sehen
In dem Roman «Alles sehen» versinkt gleich eine ganze Stadt in der Depression. Die Stadt B. – die eine verdächtige Ähnlichkeit mit Bielefeld in Ostwestfalen aufweist – wird von allerlei Verrückten und Gescheiterten bevölkert, ausserdem hat sie eine bizarre Forschungsrichtung namens «Totale Soziologie» hervorgebracht. Auf verschlungenen Wegen hängen ihre trüben Schicksale zusammen, und zu allem Überfluss werden sie auch noch von dem psychotischen Menschenfeind Frank Stremmer aufgemischt, der aus der Genfer Business-Welt in seine Geburtsstadt B. zurückkehrt. Christoph Höhtker legt damit seinen zweiten Stremmer-Roman vor. Tilman Hoffer hat den Autor für MEPHISTO in Genf getroffen.