Einerseits zeigt Peter Regli gewaltige, imposante, unübersehbare Werke – andererseits gibt es Objekte und Details, die beinahe zu übersehen sind. Eine facettenreiche Ausstellung mit viel Humor!
Haus für Kunst Uri | Peter Regli
Reglis Natur- und Kunstgeschichten
«Der schlafende Baum» – heisst die Ausstellung von Peter Regli im Haus für Kunst Uri, mit der sich der Künstler zum ersten Mal in seinem Heimatkanton präsentiert. Dieser Titel ist zugleich poetisch und ein Versprechen, das der Künstler wörtlich einlöst. Im Innenhof des Museums ruht ein mächtiger Buchenstamm von viereinhalb Metern Länge auf einem Sockel. Der Schlaf aber ist nicht friedlich wie es auf den ersten Blick scheinen könnte: Die blutroten Schnittflächen des Baumes machen aus dem schlafenden ein verwundetes oder gar totes Objekt. Poesie, Schönheit, Gewalt und Tod sind für Regli nahe Verwandte, die er zu Beginn der Ausstellung als grosse Themen seiner Kunst anspielt. Diese sind nicht zufällig gewählt, sondern haben mit den Traditionen der Innerschweiz zu tun, wo die Geschichten der christlichen Religion, in Kunstwerke aus Holz und Marmor verwandelt, mit Farben und Gold erzählt werden, und wo die Bildwelten des Katholizismus oft von Schönheit in Gewalt umschlagen.
Umgang mit Heinrich Danioth
Über dem Urner Kunsthaus schwebt ein grosser Künstlername: Heinrich Danioth. Diesem Maler ist traditionellerweise ein eigener Saal gewidmet, zu dem sich die zeitgenössischen Künstler mit ihren temporären Ausstellungen positionieren. Peter Regli wählt eine neue Art der Begegnung mit dem Urner: Er lässt den Danioth-Saal von Theatermalerinnen als ein räumliches Aquarell des Künstlers übergross ausmalen, und von der Decke hängt er vier hölzerne Adlerskulpturen. Diese sind verdreht, in der Mitte auseinander gesägt und verschoben wieder zusammengefügt. In dieser spektakulären Inszenierung treffen metaphorisch zwei Künstlerpersönlichkeiten aufeinander: Peter Regli, der in seiner Jugend der «Adler vom Gotthard» genannt wurde, und der Maler Danioth. Wer dann noch einen Blick auf die Titel der ausgestellten Werke von Regli wirft, wird staunen: Sie tragen allesamt Titel von (abwesenden) Kunstwerken Heinrich Danioths. So heisst beispielsweise eine Holzskulptur «Der Überseer 1940», und ein Schneemann ist «Gitschen 1952». Mit Witz und selbstbewusst sucht Regli mit seiner Kunst einen ganz ungewohnten Dialog mit dem Urner Meister.
Symbolträchtiges Herz
Besucherinnen oder Betrachter befinden sich in der Ausstellung von Peter Regli in einem eigenwilligen künstlerischen Kosmos, der mit Holz, Marmor, Farbe und Zinn Geschichten über Natur, Globalisierung, Tradition, Religion und vor allem über das abgründig-heitere und subversiv-gefährliche Potential der aktuellen Kunst erzählt. Über der ganzen Ausstellung aber glänzt ein starkes Symbol: das Herz. Draussen vor der Tür des Kunsthauses flattert es pinkfarben als drei Meter grosse Fahne, im Innern des Museums leuchtet es als gleissendes Zinnherz. Kunst braucht Herz, scheint uns Regli zuzurufen, denn bei seiner Kunst geht es immer um grosse Gefühle und um Leben und Tod.