Die Ausstellung im Kunstmuseum Bern veranschaulicht den intensiven künstlerischen und menschlichen Austausch zwischen Ernst Ludwig Kirchner (1880–1938) und einer Reihe von jüngeren Kollegen während seinen frühen Davoser Jahren.
Expressionismus aus den Bergen - Kirchner, Bauknecht, Wiegers und die Gruppe Rot-Blau
Neben dem Deutschen Philipp Bauknecht (1884-1933), der bereits vor Kirchner ins Bündnerland gekommen war, und dem Holländer Jan Wiegers (1893-1959) gehören dazu die drei Gründungsmitglieder der Basler Gruppe Rot-Blau Albert Müller (1897-1926), Hermann Scherer (1893-1927) und Paul Camenisch (1893-1970). Sie alle hielten sich längere Zeit in Davos auf, teilweise als Gäste Kirchners, und waren ihm zeitweise freundschaftlich verbunden.
Dabei entspannte sich in den meisten Fällen ein intensiver künstlerischer Dialog, der letztlich nicht nur für die jüngeren Künstler, sondern auch für Kirchner selbst fruchtbar war. So liess sich der gelernte Bildhauer Scherer 1924 von Kirchner in die Malerei einführen und begann dann, zweifellos durch das Vorbild des älteren Kollegen angeregt, jene Serie von Holzskulpturen, die ihm bis heute einen Platz in der Kunstgeschichte sichern. Umgekehrt fühlte sich Kirchner durch Scherers Konkurrenz angespornt, selber wieder vermehrt bildhauerisch tätig zu werden. Die jüngeren Künstler begnügten sich dabei nie damit, den Stil Kirchners zu imitieren, sondern setzten die zum Teil offenkundigen Anleihen bei der Kunst ihres Mentors in durchaus eigenständiger Weise um.
Durch die thematische Gliederung der Exponate sollen die Analogien, aber auch die Unterschiede im Schaffen der sechs Künstler aufgezeigt werden, die nicht nur dieselben Themen, sondern oft auch dieselben Motive darstellten – neben Davoser Berglandschaften, und Akten auch Szenen aus dem Bergleben; dazu porträtierten sie sich gegenseitig in zahlreichen Selbst-, Einzel- und Gruppenporträts, die bis heute von ihrer persönlichen Verbundenheit zeugen. Einen weiteren Themenbereich und zugleich Kontrapunkt zur alpinen Szenerie stellt die Landschaft des Mendrisiotto dar, wohin sich die Basler Künstler Scherer, Müller und Camenisch zeitweise oder ganz zurückzogen.
Der zeitliche Schwerpunkt der Ausstellung, die neben Gemälden auch zahlreiche Skulpturen und Arbeiten auf Papier umfasst, liegt in den Jahren vor 1926/27, als die Beziehungen zwischen den Künstlern durch den frühen Tod von Müller und Scherer und die endgültige Rückkehr Wiegers nach Holland weitgehend abbrachen.