Erna Schillig (1900 – 1993) hat das gleiche Schicksal wie viele Künstlerinnen ihrer Generation, ihre künstlerische Arbeit wurde viel zu wenig gewürdigt und wenig in den Museen sichtbar gemacht. Eine längst überfällige Hommage an die Schweizer Künstlerin, die vor allem mit ihrer Textilkunst und Malerei brillierte, änderte das schlagartig. Im Mittelpunkt der Ausstellung standen ihre Arbeiten aber auch die Verbindung zu den Künstlern Heinrich Danioth und August Babberger.
Erna Schillig - Meisterschülerin, Künstlerin, Professorin
Das Haus für Kunst Uri zeigte das grossartige Werk einer in Vergessenheit geratenen Künstlerin.
Erna Schillig – Das Projekt
Das Ehepaar Martin und Marie-Ann Arnold–Berther haben eine Fülle von spannenden Begebenheiten über die Künstlerin Erna Schillig (1900 bis 1993) zusammengetragen und schweizweit über 120 Werke von ihr ausfindig gemacht und katalogisiert. Dank diesem Schatz an Informationen wurde das «Abenteuer» ernaschillig.ch überhaupt erst möglich. Ein Projekt von arttv.ch, das die eigens geschaffene Website www.ernaschillig.ch umfasst mit einer stetig wachsenden Werkschau. Das Projekt umfasst aber auch mehrere Videos zum Leben der Künstlerin, konzipiert von Felix Schenker, Chefredaktor von arttv.ch. Realisiert und produziert wurden die Videos wiederum von Sabine Dahinden, die als eines der Aushängeschilder des Schweizer Fernsehens bekannt ist. Martin Arnold hat Erna Schillig persönlich gekannt und das schon als junger Knabe. Auf dem Klausenpass war er in den Sommerferien im Restaurant «als Junge für alles» tätig. Seine Erlebnisse hat er im Buch «Erinnerungen an das HOTEL KLAUSEN-PASSHÖHE» festgehalten, das 2021 im Verlag Gisler1843 erschienen ist.
Der Urner Kreis und Erna Schillig
Erna Schillig wurde am 27. September 1900 in Altdorf geboren. Nach dem Besuch der Volksschule durchlief sie die Ausbildung zur Krankenschwester und arbeitete in der Westschweiz. 1925 kehrte sie aus gesundheitlichen Gründen in ihre Heimat zurück. Ihre Eltern führten in den Sommermonaten das Hotel Klausenpasshöhe. Dort lernte sie den deutschen Maler August Babberger kennen, der – wie auch der mit ihr befreundete Maler Heinrich Danioth – gerne seine Ferien auf dem Klausenpass verbrachte. Zusammen mit Heinrich Danioth und weiteren Urner Künstlern, Literaten und Musikern gehörte sie zum «Urner Kreis», der sich um Babberger gebildet hatte. Dies führte dazu, dass sie mit 27 Jahren für drei Jahre die Badische Landeskunstschule in Karlsruhe besuchte, wo Babberger die Fachklasse für dekorative Malerei und Wandmalerei leitete. Er erkor Erna Schillig zu seiner Meister- und Privatschülerin. Babbergers Frau, Anna Maria Babberger-Tobler, war ebenfalls Künstlerin. 1907, mit 27 Jahren, hatte sie erstmals schwere Depressionen und verbrachte ein Jahr in der Psychiatrischen Klinik Münsterlingen. Fünf Jahre später, 1912, heirateten sie und August Babberger in Stampa, dem Wohnort Augusto Giacomettis, welcher Trauzeuge und ein guter Freund des Paares war. Rund zwanzig Jahre später stürzte sie der Niedergang der Privatbank ihres Vaters und die Liebesbeziehung, die ihr Mann mit Erna
Schillig um 1930 einging, in die zweite grosse Krise ihres Lebens. Davon konnte sich Anna Maria Babberger-Tobler nie mehr erholten. Sie starb am 20. April 1935 in der Psychiatrischen Klinik Münsterlingen.
Weltausstellung in Paris
In den folgenden Jahren wurde Erna Schillig immer mehr zu Babbergers Mitarbeiterin und endgültigen Lebensgefährtin. Zusammen malten sie 1932 die Höfli-Kapelle in Altdorf aus und das Künstlerbuch «Vom Urnersee über den Klausenpass» mit Holzschnitten von Schillig und Texten von Babberger erschien. Und die von ihnen verfassten Sommernotizen von der Klausenpasshöhe aus den Jahren 1931 bis 1936 wurden im Buch «Das Paradies der Höhensucher» von Karl Iten zusammengestellt. Inspiriert von den Urner Hochgebirgslandschaften entstanden in den 1920er- und 1930er-Jahren viele Pastellmalereien, Feder- und Bleistiftzeichnungen, in denen eine abstrahierte, rhythmisierte Farbsprache erkennbar ist. Bekannt wurde Schillig durch ihre Wandbilder in Putztechnik und ihre Wandteppiche. Ihr Trachtenteppich wurde an der Weltausstellung 1937 in Paris im Schweizer Pavillon gezeigt. Nach dem Tod Babbergers und dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges arbeitete Erna Schillig vorübergehend als Krankenschwester in Internierungslagern in Altdorf und Zug. Von 1947 bis 1967 leitete sie die Textilabteilung der Kunstgewerbeschule in Luzern und verhalf ihr zu Renommee. Erna Schillig wurde 1960 vom Kanton Luzern mit dem Professorinnentitel ausgezeichnet. Nach ihrer Pensionierung lebte sie zurückgezogen bis zu ihrem Tod am 1. Mai 1993 im hohen Alter von 93 Jahren in Altdorf.
Aufwändiges Projekt
Kuratiert wird die Ausstellung von der Direktorin des Hauses für Kunst Uri, Barbara Zürcher gemeinsam mit dem Kunstkenner Jürg Nyffeler. Zusammen mit seiner Frau Ruth Nyffeler führt er die Edition 5, eine der bedeutendsten Sammlungen in der Zentralschweiz zur zeitgenössischen Kunst. Das Ehepaar produziert mit internationalen, national bekannten Künstler:innen Multiples in limitierter Auflage von genau fünf Stück. Besonders verdient gemacht hat sich, was die Ausstellung von Erna Schillig betrifft auch Martin Arnold, der über 120 Werke aus privaten Haushalten aufwändig zusammengetragen hat. Das Kuratorenteam Zürcher-Nyffeler konnte für die Ausstellung aus dem Vollen schöpfen und jene Exponate auswählen, die das Werk von Erna Schillig besonders gut repräsentieren. Die ausgestellten Exponate stammen allerdings mit wenigen Ausnahmen aus dem Fundus des Nachlasses, der im Staatsarchiv Uri gelagert ist und nun das erste Mal mit schlichter Holzrahmung ans Licht geführt wurde, ergänzt mit einer Auswahl an Wandteppichen und einzelnen Werken aus Privatbesitz.