Die Dialogausstellung des Schweizer Art Brut-Künstlers steht den Künstler:innen der Ausstellung «Outsider Art unter dem Halbmond» gegenüber. Wirz baut in sein System auf christlichen Werten und abendländischer Heraldik auf und steht hier als Vertreter eines westeuropäischen Kunstverständnisses. Auch wendet er sich gegen seinen Vater, den bekannten Ethnologen Paul Wirz, der sich ‹fremden› Kulturen zuwandte. Artefakte aus Papua-Neuguinea sind in die Ausstellung einbezogen.
Eintauchen in die Parallelwelt «Wirziana» des Art Brut-Künstlers Peter Wirz
Das ehemalige Museum im Lagerhaus setzt unter neuem Namen seine Arbeit zielstrebig fort und hinterfragt weiterhin festgefahrene Denkmuster.
Kontinent Wirziana
Im realen Leben erfährt Peter Wirz Ablehnung, Entmündigung und Ausgrenzung. In seiner Parallelwelt «Wirziana» kann er sich neu verorten. Er gestaltet sich ein System christlich-abendländischer Heraldik mit Wappen, Militärabzeichen, Nationalemblemen und Heiligenbildern. Eine Welt, in der er Bedeutsames erschafft und endlich Bedeutung erhält. Hier ist er der gefeierte «Monsieur le peintre» seiner eigenen Erzählung. In Texten erläutert Peter Wirz seine künstlerischen Einfälle, schildert seine Träume, schreibt Verwandten, bei denen er sich zum Essen einlädt. In seiner Welt hat er Macht und fantasiert drastische Bestrafungsszenen. Er zeichnet sich ein Rüstzeug. Damit wendet sich Peter Wirz gegen den abwesenden, «entwirzten», übermächtigen Vater, der ihn fallen lässt und alles verkörpert, was ihm selbst nicht möglich ist, zu leben. Der Vater durchbricht die Konventionen seiner Zeit, stürzt sich in das ‹wilde› Leben, um in der ‹fremden› Kultur der Südseestämme das vermeintlich ‹Ursprüngliche›, vor allem aber Freiheit zu suchen. Dem setzt der Sohn eine konservative, streng strukturierte «Wirz’sche» Hierarchie entgegen, die ihm als Gerüst dient. Peter Wirz hat seit Mitte der 1930er-Jahre gezeichnet, aber ein grosser Teil seiner Arbeit ist zerstört oder verloren gegangen. Es ist dem Künstler-Bruder Dadi Wirz zu verdanken, dass rund 700 Zeichnungen erhalten sind, die meisten aus den 1950er-Jahren.
Peter Paul Wirz (1915 – 2000) ist Sohn des bekannten Ethnologen Paul Wirz (1892 – 1955). Zuerst lebt er vier Jahre bei einem Onkel in Goldach, anschliessend die meiste Zeit bei Tanten in Basel. Die Eltern führen ein bewegtes Leben, in das der schwierige Sohn nicht hineinpasst: Forschungsreisen, der Aufbau eines «Heims für Licht- und Sonnenmenschen» im Tessin und schliesslich der traumatische Tod der Mutter, die bei einem Bootsausflug der Familie ertrinkt. Peter Wirz durchläuft verschiedene Erziehungsheime; Ausbildungs- und Arbeitsversuche scheitern. Er wird zunehmend verhaltensauffällig und 1938 wegen «Debilität» und «Psychopathie» entmündigt. Während des Zweiten Weltkriegs wandert der Vater mit seiner dritten Ehefrau und dem gemeinsamen Sohn Dadi Wirz aus; Peter Wirz bleibt in der Schweiz zurück. 1948/49 bricht eine Psychose bei ihm aus, er kommt in die psychiatrische Anstalt Friedmatt und wird 1950 kastriert, was er in Zeichnungen thematisiert. Er arbeitet als Hilfsarbeiter und Gärtnergehilfe in der sozialmedizinischen Abteilung «Milchsuppe» und zieht dort 1973 in das neue Wohnheim.