Die Ausstellung, die von Madeleine Schuppli kuratiert wird, basiert auf dem Dialog zwischen der britischen Bildhauerin Rebecca Warren und dem amerikanischen Maler und Konzeptkünstler Wade Guyton. Die beiden Kunstschaffenden repräsentieren herausragende sowie dezidiert eigenständige Positionen in der internationalen Gegenwartskunst und wurden bisher noch nie gemeinsam ausgestellt.
Die Bechtler Stiftung in Uster zeigt eine spannungsvolle Doppelausstellung
- Publiziert am 3. Oktober 2023
In «The Raw and the Cooked: The Power of Transformation» treffen Wade Guyton und Rebecca Warren aufeinander.
Die Bechtler Stiftung ist ein Museum für zeitgenössische Kunst in Uster, das nebst Walter de Marias «The 2000 Sculpture» die Videoinstallation «I Couldn’t Agree With You More» von Pipilotti Rist beherbergt. Es wird von der Walter A. Bechtler-Stiftung betrieben und ist Teil des Areals Zellweger Park. Parallel zu den beiden dauerhaft ausgestellten Installationen zeigt die Bechtler Stiftung zweimal jährlich Wechselausstellungen zeitgenössischer Künstler:innen aus dem In- und Ausland, die von wechselnden Kurator:innen kuratiert werden.
Über die Ausstellung
Die Bilder und Skulpturen von Guyton und Warren miteinander zu verbinden, ist ein überraschendes Unterfangen, das in seinem Ausgang aber umso verblüffender zu werden verspricht. Die Ausstellung in der Bechtler Stiftung umfasst rund zwanzig teils grossformatige Werke, wie etwa ein knapp neun Meter breites Gemälde von Guyton oder hochragende Bronzestelen von Warren. Die Exponate sind zwischen den frühen 2000er Jahren bis 2020 entstanden und stammen grossmehrheitlich aus der Sammlung Bechtler, ergänzt durch ausgewählte Leihgaben. Die beiden künstlerischen Positionen weisen nicht nur offensichtliche Gegensätze, sondern auch Gemeinsamkeiten auf, die sich erst auf den zweiten Blick offenbaren. Bei Wade Guyton sind Fragen der Reproduktion und des Wesens des Bildes zentral. Malerei, Fotografie und Drucktechniken – analoge und digitale Bilderzeugung – der ganze Strauss an Medien kommt zum Einsatz und wird virtuos verwoben. Rebecca Warrens Arbeit hat demgegenüber eine starke haptische Qualität, eine materielle Unmittelbarkeit und eine dreidimensionale Präsenz, dies im Gegensatz zu Wade Guytons Bildwelt, in der sich das Räumliche vornehmlich im Imaginären entwickelt. Warren lotet die ganze mediale Bandbreite der Plastik mit Arbeiten in Ton, Bronze, Stahl, Papier und neustens auch Neon aus. Sie erkundet die Möglichkeiten des Mediums Skulptur, dessen Verankerung in der Geschichte und deren Weiterführung in die Gegenwart, während Guytons Schaffen stärker in der Unmittelbarkeit der Jetztzeit verortet ist.
Geometrie trifft auf organische Formen
Die Ausstellung macht deutlich, inwiefern das Schaffen der beiden Künstler:innen in unterschiedlichen formalen Welten beheimatet ist: Guyton v.a. in einer geometrischen, konstruktiven Bildsprache – mit Kreuzen, Streifen und monochromen Flächen – Warren arbeitet in ihrer Bildhauerei mit dem Organischen und Körperlichen, ohne strengen Ordnungssystemen zu folgen. In der Ausstellung werden diese Gegensätze erlebbar gemacht, beispielsweise durch eine bühnenartige Gegenüberstellung eines überbreiten horizontalen Streifenbildes mit vertikalen Bronzefiguren.
Das Verbindende im Werk der beiden Kunstschaffenden manifestiert sich etwa im Ausloten der Wiederholung, des Seriellen, was in der Doppelausstellung durch thematische und formale Variationen, beispielsweise in einer siebenteiligen Gruppe von überlebensgrossen Figuren deutlich wird. In der Ausstellung wird auch erlebbar gemacht, dass beide Kunstschaffen- den eine starke Verankerung in der Malerei aufweisen: Warren spricht von ihren bemalten Skulpturen als «widerspenstige 3D-Leinwände».
Die Biografien
Wade Guyton ist 1972 in Hammond, Indiana, USA geboren, lebt und arbeitet in New York. Er hat einen BA der University of Tennessee, Knoxville erworben (1990–1995) und am Hunter College, New York (1996–1998) studiert. Guyton hatte eine Residency des Delfina Studio, London (2000) und Auszeichnungen u.a. der Foundation for Contemporary Performance Arts, Inc. (2004) und erhielt den Cultural Leadership Award der American Federation of Arts (2015). Institutionelle Einzelausstellung von Wade Guyton fanden in den letzten Jahren statt im Museum Ludwig, Köln (2019), in der Serpentine Gallery, London (2017), im Museé d’art moderne et contemporain, Genf (2017), im Whitney Museum of American Art (2012) und im Portikus, Frankfurt (2008).
Rebecca Warren wurde 1965 in Pinhoe, Devon, geboren und lebt und arbeitet in London. Sie hat einen BA in Bildender Kunst vom Goldsmiths’ College, University of London (1989) und einen MA in Bildender Kunst vom Chelsea College of Art, London (1993). Im Jahr 1994 war Warren Artist in Residence an der Ruskin School der Universität Oxford. Im Jahr 2013 wurde sie zum Royal Academician gewählt. Seit 2014 ist sie Professorin an der Kunstakademie Düsseldorf. Im Jahr 2020 wurde sie für ihre Verdienste um die Kunst mit einem OBE ausgezeichnet. Institutionelle Ausstellungen von Warrens Werk wurden in der Fondation Giacometti, Paris (2023), im Belvedere 21, Wien (2022), im Musée National Eugène Delacroix, Paris (2018), in der Fondation Vincent Van Gogh Arles, Arles (2017), im Museum Dhondt – Dhaenens, Gent, Belgien (2012), im The Art Institute of Chicago, Chicago (2010), in der Serpentine Gallery, London, UK (2009) und in der Kunsthalle Zürich, Zürich (2004) gezeigt.
Madeleine Schuppli ist Kunsthistorikerin, Kuratorin und Autorin für zeitgenössische Kunst. An den Universitäten von Genf, Hamburg und Zürich hat sie Kunstgeschichte studiert und einen MAS in Kulturmanagement an der Universität von Basel erworben. 1996–2000 war sie Kuratorin an der Kunsthalle Basel, wo sie u.a. Ausstellungen mit Mona Hatoum (1998) und Maurizio Cattelan (La nona hora, 1999) verantwortet hat. Sie leitete 2000–2007 das Kunstmuseum Thun. Madeleine Schuppli war Direktorin des Aargauer Kunsthauses von 2007–2019 und kuratierte u.a. Ausstellungen mit Mark Wallinger (2008), Fiona Tan (2010), Christian Marclay (2015) und Su-Mei Tse (2018) sowie thematische Ausstellungen wie Swiss Pop Art (2017). 2020–2022 war sie Leiterin der Abteilung Visuelle Kunst bei der Schweizer Kulturstiftung Pro Helvetia. Sie war Präsidentin von ICOM Schweiz sowie Stiftungsrätin der Fotostiftung Schweiz oder der Fondation Nestlé pour l’Art. Für das Muzeum Susch hat sie die Ausstellung Hannah Villiger: Amaze me (2023) ko-kuratiert. Madeleine Schuppli lebt als freischaffende Kuratorin, Autorin und Dozentin in Zürich.