Bei der Recherche für sein Wandbild an einem verfallenen Nebengebäude des Schlosses ist Eichhorn zufällig im Schloss auf das Werkverzeichnis des Schweizer Malers Heinrich Danioth gestossen. Er war sofort begeistert. Für sein neustes Werk liess er sich darum vom Urner «Teufelsmaler» inspirieren und schuf damit eine emotionale und künstlerische Brücke von Sachsen-Anhalt nach Uri. Neben Eichhorn präsentiert die Ausstellung weitere grosse Namen, wie MANON oder Ursula Palla.
Deutscher Künstler lässt sich von Heinrich Danioth inspirieren
Noch bis am 27. Oktober 2024 sind im Schloss von arttv-Chefredaktor Felix Schenker 30 Kunstschaffende zu erleben. Einer davon ist Philipp Eichhorn.
Beteiligte Kunstschaffende:
Garda Alexander | Sonja Alhäuser | Ruth
Baettig | Eva Borner | Daniel Bracher
Costantino Ciervo | Davina Deplazes | Philipp
Eichhorn | Andrea Flemming | Lea Fröhlicher &
Olivia Hegetschweiler | Emma Grün | Manuela
Hartel | Andi Hofmann | Susanne Hopmann
Katharina Hürzeler | Nici Jost | Ingeborg Lüscher
Manon | Victorine Müller | Tanja Nittka
Ursula Palla | Hilde Pank | René Schäffer
Felix Schenker | Barbara Schmitz-Becker
Una Szeemann | Timo Ullmann | Roger Wirz
Paula Wolber
Wandbild in Uri
Vor zehn Jahren hat arttv-Chefredaktor Felix Schenker Schloss Gleina als Begegnungsort für Kultur und Kunst gekauft. In dieser Zeit hat er mehrere Kulturanlässe organisiert oder organisieren lassen. Die Ausstellung KOSMOS[KA-OS] der Kuratorin Claudia Waldner ist mit Sicherheit der vorläufige Höhepunkt. Die Ausstellung zeigt Künstler:innen in Gleina, von denen sich Schenker nie hätte träumen lassen, sie einmal in seinem Schloss zeigen zu dürfen. Für ihn gehört der deutsche Künstler Philipp Eichhorn zu einer seiner ganz grossen persönlichen Entdeckungen. Schenker hofft, dass dieser im Kanton Uri im kommenden Jahr ein monumentales Wandbild realisieren kann. Noch ist die Finanzierung nicht gesichert.
Ein Herrenzimmer aus Karamell
Eine Arbeit, von der sich Schenker nie hätte träumen lassen, dass sie in seinem Schloss sichtbar wird, ist etwa das Karamellzimmer der Künstlerin Ursula Palla, das «süsseste Kunstwerk der Welt». Schenker zeigt sich erfreut: «Als ich die Arbeit vor ein paar Jahren im Bündner Kunstmuseum gesehen habe, war ich begeistert. Ich hätte aber niemals gedacht, dass Ursula Palla eine neue Version davon im meinem Schloss installiert.» Palla rekonstruiert aus rund 70 Kilogramm Zucker ein antikes Herrenzimmer, einzig allein mit Karamell. Ihr Werk thematisiert die Vergänglichkeit von Objekten. Pallas Arbeit findet Schenker auch deshalb interessant, weil sie die Diskussion anregt, um über den Konsum von Zucker nachzudenken. Im 18. und 19. Jahrhundert war dieser nur den Adeligen und der Oberschicht vorbehalten. Durch eine umfangreiche Produktion, Unterdrückung und Sklaverei in den Zuckerkolonien wurde Zucker immer billiger. Dementsprechend nahm im 19.Jahrhundert der Konsum von zuckerreicher Nahrung im Zusammenhang mit den sich verändernden Lebens- und Arbeitsbedingungen der Menschen durch Industrialisierung und Urbanisierung zu. Zucker wurde vom einstigen Luxusgut zur Nahrung der Arbeiter:innen und der Armen. Schenker ist sich bewusst, dass gerade die ländliche Bevölkerung in Gleina auf einige Kunstwerke kritisch reagieren wird. Gerade das ist für ihn das Spannende: «Moderne Kunst ist wie eine Formel in der Mathematik oder der Physik, man muss sie verstehen, damit sich einem die Sinnhaftigkeit erschliesst.»
Underground Explosion
Eine weitere Künstlerin, auf die sich Schenker ganz besonders freute, ist der Weltstar MANON. Für Schenker eine der bedeutendsten Künstlerinnen hinsichtlich feministischer Kunst und Selbstinszenierungen und das lange vor Marina Abramović. Dass die inzwischen 84-jährige MANON überhaupt in Gleina ausstellt, freut Schenker auch deshalb, weil er gegenwärtig dabei ist, zusammen mit der Filmwissenschaftlerin Kathrin Halter das Drehbuch zum Film «Underground Explosion» zu schreiben. Der von Samir produzierte Film erzählt die Geschichte des legendären Untergrundclubs Platte 27, der in den Sechzigerjahren das Zürich so richtig aufmischte. MANON war, zusammen mit Techno-Papst Dieter Meier von Yello – oder der wohl bekanntesten Schweizer Kuratorin, Bice Curiger – dort Stammgast.
Auch in der Schweiz
Das derart bedeutende Kunstschaffende wie Ursula Palla, MANON, Eva Borner, Ingeborg Lüscher, Costantino Ciervo, Andi Hofmann oder Una Szeemann überhaupt in einem derart abgelegenen Ort wie Gleina ausstellen, hat Schenker seiner Kuratorin Claudia Waldner zu verdanken. Die mehrjährige Direktorin des Kunsthauses Zofingen und heutige Leiterin der Kunstvermittlung im Kunsthaus Olten hat beste Verbindungen in die Kunstwelt. Wie schon bei der Ausstellung «Kunstsommer 22» wird ein Teil die Werke ein Jahr später auch in der Schweiz zu sehen sein. Bei Kosmos.Kaos sind es sogar zwei Nachfolgeausstellungen, einmal im Herbst 2025 im Kunsthaus Zofingen und dann möglicherweise im Sommer 2026 auf dem Gotthard Pass in der Festung Sasso San Gottardo.
Von Heinrich Danioth inspiriert
Philipp Eichhorn war bereits im «Kunstsommer 22» vertreten. Die Ausstellung mit 22 deutschen und Innerschweizer Künstler:innen im Schloss Gleina wurde damals von der Luzern Galeristin Evelyne Walker kuratiert. Schenker war von Eichhorn derart begeistert, dass er nicht nur ein Werk von ihm kaufte, sondern sich wünschte, dass Eichhorn auch 2024 dabei ist. Als Eichhorn für eine Vorbesprechung ins Schloss kam, entdeckte er zufällig das Werkverzeichnis des Urner Künstlers Heinrich Danioth (1896–1953) und war davon sehr angetan. Eichhorn faszinierte vor allem die Kraft, die er in den Werken des Urner «Teufelsmalers» empfand. Darum war für ihn klar, dass das Wandbild, das er an einem verfallenen Nebengebäude des Schlosses für die Ausstellung malte, durch die Werke von Danioth inspiriert sein soll. «Für mich war das wirklich eine Freude, denn hier entsteht eine Brücke nach Uri, in die Schweiz, die nicht einfach konzeptuell konstruiert ist, sondern zu einer Herzensangelegenheit wurde», so Schenker. Auch Heinrich Danioth war schon im «Kunstsommer 22» vertreten, dadurch dass der Urner Filmemacher Felice Zenoni seinen Film über Danioth präsentierte.
Ein Traum fürs Gotthardmätteli
Für Schenker wie auch die Kuratorin Waldner ist es hoffentlich nicht nur eine Vision, dass Eichhorn auch in Kanton Uri ein Wandbild gestalten kann. Eines, das erneut vom künstlerischen Werk Heinrich Danioths inspiriert ist. Einen Wunschort dafür hätte Schenker auch schon: Der Lüftungsschacht des Gotthardtunnels, nahe dem Gotthardmätteli, in Richtung Gotthardpass. «Der Bau ist an sich schon eine Skulptur. Wenn da noch Malereien von Eichhorn dazukommen, wäre es perfekt», so Schenker. Mari Russi, die Frau der Urner Skilegende Bernard Russi, hat es dann auch tatsächlich geschafft, die Behörden zu überzeugen, sodass Eichhorn die Genehmigung bekam, und das Objekt bemalen dürfte, falls das Projekt finanzierbar ist. Die Bewilligung zu bekommen, war sicher ein nicht ganz einfaches Unterfangen, denn das Gebäude ist in der Verantwortung vom Bundesamt für Strassen ASTRA. Mari Russi und ihrem Team ist das aber schon einmal gelungen: Im Rahmen des Kunstprojektes «Art Trail» liessen sie durch zwei Graffitikünstler 2022 den Lüftungsschacht in Hospental besprayen. Nun ist sie dabei auch noch die lokalen Behörden für das neu Projekt zu begeistern.