Sophie Taeuber-Arp, Emmy Hennings, Hans Arp oder Hugo Ball besuchten Rudolf von Labans Kurse, tanzten, veranstalteten Ausstellungen und Feste. Sowohl im Cabaret Voltaire als auch auf dem Monte Verità war die Befreiung von körperlichen und sprachlichen Konventionen zentral.
Cabaret Voltaire Re-Visits | Monte Verità
- Publiziert am 11. August 2021
Das Cabaret Voltaire besucht Orte, die für die Dadaist*innen von 1916/1917 wichtig waren.
Eröffnung mit Performances und Gespräch | 14. August 2021 | 16:00–22:00 Uhr
16:00 Eröffnung Ausstellung Izidora L. LETHE, Paul Maheke
17:00 Gespräch mit Christa Baumberger, Sophie Doutreligne, Minna Salami
18:00 Apero
18:45 Performance Paul Maheke
19:45 Choreographie / Intervention Izidora L. LETHE, aufgeführt von Val Minnig, Stéph, Nina Emge, Jovin Joëlle Barrer, Hermes Schneider, Donya Speaks, Claudia Barth
20:30 DJ-Set Yantan Ministry
21:30 Late Dinner (25 CHF)
Reservation bis 12. August 2021
Der Körper als Archiv
Der Monte Verità gilt – wie das Cabaret Voltaire – als einer der wichtigsten Orte der Avantgarde, sei es in Kunst, Theorie oder Lebensführung. Es erstaunt daher nicht, dass Künstler*innen um den Zürcher Dada-Kreis ihre Sommer auf dem Hügel in Ascona verbrachten. Diese Rückkehr ist kein nostalgischer Akt, sondern Ausgangslage, um Anliegen und Ausdrucksformen aus der Perspektive der Gegenwart zu begegnen. «Songs to the Suns» vereint holistische und fragmentierte Ansätze, sucht eine Mehrstimmigkeit, die binäre Denkweisen zerstört. Im Zentrum steht der Körper als Archiv und Ort der Emanzipation. Mit Izidora L. LETHE und Paul Maheke lädt das Cabaret Voltaire zwei zeitgenössische Künstler*innen für die Kooperation mit dem Kulturzentrum Monte Verità ein.
In den recherchebasierten Arbeiten geht Izidora L. LETHE vom Körper als Ort der Wissensproduktion und Wissensspeicherung aus. LETHE ist es ein Anliegen, entpolitisierte Vorstellungen von Landschaft, Geologie oder dem Körper in Koexistenz mit seiner menschlichen und nicht-menschlichen Umgebung zu revidieren. Für den Monte Verità treibt LETHE diese Forschung weiter, mit einem Fokus auf den «dritten Weg» des Lebens sowie das Engagement der Avantgardist*innen, normierte Vorstellungen von Bewegung und Körpern zu destabilisieren. Damit würdigt LETHE das queere, weibliche, nicht-binäre/trans* oder postmigrantische und postkoloniale verkörperte Wissen, das im Laufe der Geschichte übersehen und verdrängt wurde. In der «Casa dei Russi» zeigt LETHE Zeichnungen, die als Notationen von Körperlichkeit zu verstehen sind und zu Parameter für eine «choreografierte Intervention» werden. Eine Gruppe von klassisch ausgebildeten und nicht ausgebildeten «Tänzer*innen» führt die Intervention auf. Begleitet werden diese Arbeiten von einer Klangintervention und feinen skulpturalen Arbeiten, die sich über das gesamte Gelände erstrecken.
Paul Mahekes künstlerisches Interesse gilt dem sozialen Konstrukt der Körperlichkeit, dem Unsichtbaren und den Kräften, die unsere Körper und Identitäten beeinflussen und informieren. Wie bei den Avantgardisten funktioniert der Körper nicht mehr nur als Instrument der ästhetischen Repräsentation, sondern verwandelt sich in eine Quelle der Erfahrung und Befreiung. Kunst wird zur Katharsis an einem Ort, der für Gegennarrative und kollektive Auseinandersetzungen offen ist. Der Künstler zeigt im «Spazio Piscina» eine Installation, aus mit Textfragmenten bedruckten Stoffbahnen, in deren Mitte er am Eröffnungsabend tanzt, begleitet von einem Soundtrack, den sein Bruder Simon komponiert hat und zu dem Maheke selbst ein Voice-Over spricht. Die seit dem ersten Lockdown im Jahr 2020 geschriebenen Texte handeln von Verletzlichkeit und Verkörperung. Für die Performance trägt Maheke einen Durag, ein Kopftuch afrikanischer Herkunft, das seit den 1970er Jahren Teil der afroamerikanischen Jugendkultur ist und von der weissen Mainstream-Kultur in einen rassistischen Signifikanten verwandelt wurde, der mit Gang-Kultur und Gefangenen assoziiert wird. Maheke versucht so, die in die Kleidung eingeschriebenen Zeichensysteme zu demontieren.
Text: Cabaret Voltaire