Er ist der vielleicht betörendste und stärkste Film des Zurich Film Festivals 2013: «Tore tanzt», radikales deutsches Kino.
Zurich Film Festival 2013 | Tore tanzt
Verwestes Hühnchen
Es ist nicht so einfach zu bestimmen, was in «Tore tanzt» im Vordergrund steht. Ist es eine Geschichte über Sadismus, über krankhafte Religiosität oder einfach ein Thriller? Eines ist das Debüt der deutschen Regisseurin Katrin Gebbe aber auf alle Fälle: ein betörender, verstörender aber auch sehr spannender Film. Ein Werk, das von seinen Zuschauern viel abverlangt. Ein Schlag in die Magengrube sei das, so die Meinung vieler Festivalbesucher des 9. ZFF. Etwa dann, wenn man sich mit ansehen muss, wie Tore von seiner Gastfamilie gezwungen wird, ein verwestes Hühnchen aufzuessen. Die religiöse Dimension des Films wirft zudem viele Fragen auf, die auch von der Regisseurin am Q&A, anschliessend an die Filmvorführung in Zürich, unbeantwortet blieben. So wird der Zuschauer mit den Abgründen des Bösen, das in den Menschen schlummert, alleine gelassen. Irgendwie ist das faszinierend und ärgerlich zugleich. In Cannes, wo der Film in der Sektion «Un Certain Regard» seine Premiere feierte, reagierte das Publikum mit grenzenloser Begeisterung oder mit empörter Ablehnung. Dazwischen gibt es bei diesem Film wohl nichts. Trotzdem oder gerade deswegen ist «Tore tanzt» auf alle Fälle unser bisheriger Favorit am 9. ZFF | Felix Schenker, art-tv.ch
Zum Film
Was passiert, wenn einer seine andere Backe tatsächlich auch noch hinhält? Tore ist ein „Jesus-Freak“ und damit Mitglied einer Gruppe religiöser Punks, die in einem Hamburger Vorort die Nächstenliebe pflegen. Als der naive Teenager merkt, dass nicht alle „Mitbrüder“ den Glauben so konsequent leben wie er, verlässt er die Kommune und zieht zu Benno, einer Zufallsbekanntschaft. Benno wohnt – scheinbar idyllisch – mit Frau und Kindern in einem Schrebergarten. Was als spontane Freundschaft beginnt, wird aber allmählich zur Tortur. Denn im Grunde verachtet Benno Tores Glauben und testet diesen mit einem sadistischen Spiel. “Tore tanzt” ist eine ebenso kompromisslose wie verstörende Passionsgeschichte.