Im trockenen bolivianischen Hochland der Anden lebt ein älteres Quechua-Ehepaar. Mitten in einer Dürre erkrankt Virginio und verbringt seine letzten Tage im Wissen um seinen bevorstehenden Tod damit, seine Krankheit vor Sisa zu verbergen. Alles verändert sich durch die Ankunft des Enkels Clever, der mit Neuigkeiten zu Besuch kommt. Die drei stellen sich auf unterschiedliche Weise der Dürre, den Veränderungen und dem Sinn des Lebens.
Utama
Eine zärtliche Liebesgeschichte, in atemberaubender Natur und mit einer aktuellen und eindringlichen Botschaft. Ein Film perfekt für die Kinoleinwand!
Alejandro Loayza Grisi wurde 1985 im bolivianischen La Paz geboren. Er studierte Kommunikationswissenschaft und Werbung an der Universidad Catolica de Bolivia in Cordoba, Argentinien. 2010 begann er als Fotograf und Kameramann fur die Alma Filmproduktion zu arbeiten und gewann diverse Auszeichnungen. Als Kameramann wirkte Loayza Grisi an der Dokumentarserie Planeta Bolivia mit und an Kurzfilmen wie «Aicha», «Dochera» und «Polvo». Mit seinen Musikvideos nahm er an Festivals von Bogotá bis Jaipur teil. «Utama» ist sein erster Spielfilm als Regisseur.
Utama | Synopsis
Sie leben fern von dem, was man Errungenschaften der so genannten Zivilisation bezeichnet. Ihr Leben ist einfach und eng verbunden mit der Natur. Diese ist auf dem Altiplano himmelsnah und von betörender Schönheit, gleichzeitig auch karg. Jedes Stückchen Erde zählt und wird gepflegt. So gering ihr ökologischer Fussabdruck sein mag: Auch die Indigenen auf dem Altiplano sind betroffen von der globalen Verantwortungsarmut. Die Trockenheiten nehmen zu, die natürlichen Zyklen sind in Gefahr. Zusammen mit seiner hervorragenden argentinischen Kamerafrau Barbara Alvarez zaubert der Bolivianer Alejandro Loayza Grisi eine Erzählung auf die Leinwand, die vom Verlust eines Lebensraums handelt und von einem Leben, das auch so schon entbehrungsreich ist. Eigentlich bleibt da kein Raum mehr für Abstriche. «Wir waren berührt von diesem schönen Stück ethnografischen Kinos, das auf einer einfachen, aber universellen und sehr aufrichtigen Geschichte basiert», hat die Jury von Toulouse notiert, als sie «Utama» auszeichnete. Der Film liefert eine ebenso schlichte wie dringliche Botschaft: Es gibt nur eine Erde, und es gibt sie nur einmal. Wann begreifen das ihre Bewohner:innen in den Zentren?
Text: Walter Ruggle, Trigon
Rezension
von Doris Senn
Gross und weit ist die Landschaft in «Utama». Lamas mit pinken Bommeln an den Ohren setzen verspielte Akzente in der schieren Unendlichkeit des bolivianischen Hochplateaus. Virginio und Sisa, ein älteres Paar, leben abgelegen in diesem kargen Landstrich. In staubigen Sandalen, Shirt und Pulli, die Virginio auch zum Schlafen anbehält, mit Hut und einer Decke über der Schulter, führt dieser seine kleine Lamaherde auf stundenlangen Wanderungen über die leere Ebene und den zerklüfteten Boden zu den raren Grasbüscheln, die in immer weitere Entfernung rücken. Ein böser Husten plagt ihn, den er vor Sisa zu verbergen sucht. Sie – in ihren bauschigen Wollröcken, den langen Zöpfen und ebenfalls mit Hut – schaut im Haus nach dem Rechten, müht sich mit dem trockenen Boden ab und ist für das Wasser besorgt, das immer rarer wird. Der Brunnen im entfernten Dorf ist versiegt. Der noch fernere Fluss zum Rinnsal geworden. Der Himmel frei von Regenwolken. Seit über einem Jahr.
Eindrückliches Regiedebüt
In seinem Regiedebüt – mit dem Grossen Jurypreis in Sundance 2022 ausgezeichnet – zeigt der Bolivianer Alejandro Loayza Grisi anschaulich, was der Klimawandel in seinem Heimatland, insbesondere der bolivianischen Hochebene, an Veränderungen gebracht hat: Ein Volk – die Quechuas – sind in ihrem Überleben bedroht, ihre Kultur dem Untergang geweiht. Der Umzug in die nahe Stadt – der junge Clever, der überraschend seine Grosseltern besucht, möchte ihnen genau dies vorschlagen – ist für die meisten längst Realität geworden: Virginio und Sisa gehören zu den Letzten, die in ihren bescheidenen Lehmhäusern auf der Hochebene ausharren.
Dystopisches Drama
Clever wohnt in La Paz, spricht kein Quetchua und ist besser vertraut mit den modernen Gadgets als dem Überleben in der kargen Wüste. Für ihn gibt es keine emotionale Verknüpfung mehr zu den alten Ritualen, und er ist ohne die spirituelle Verbindung zur Erde und zum Kosmos aufgewachsen, die die Welt seiner Grosseltern prägen. «Utama» (übersetzt «mein Zuhause») erzählt in seiner Lakonie ein dystopisches Drama von universeller Bedeutung: über den Klimawandel, über fehlendes Wasser und den daraus folgenden Verlust von Heimat, Tradition, Geschichte.
Erbarmungslose Landschaft
Bestechend in seiner Einfachheit und von faszinierender Schönheit die Natur und die Menschen, in deren Gesichtern sich die Furchen der Erde zu spiegeln scheinen, fängt «Utama» in vibrierender Dichte dieses stille Drama ein. Die eindringliche, oft symmetrisch ausgerichtete Bildgestaltung in Cinemascope stammt von der renommierten argentinischen Kamerafrau Bárbara Álvarez und zeichnet eine grossartige Landschaft – und die bittere Realität dahinter. Virginio und Sisa werden von Laien gespielt, die tatsächlich ein Paar sind und genau das Haus und die Gegend bewohnen, die im Film zu sehen sind. Sie mussten erst mit grosser Überzeugungsarbeit für ihre Mitarbeit beim Filmprojekt gewonnen werden. Dafür beeindrucken sie nun mit ihren von der Zeit, von Wind und Wetter geprägten Gesichtern und ihrer Körpersprache, noch bevor das erste Wort gesprochen wird. Nicht zuletzt dank ihnen wird dieses aus der Zeit gefallene Epos, das von so grosser Aktualität ist, zu eindringlichem Leben erweckt.
Fazit: Das bolivianische Kino hat mit Alexandro Loayza Grisi eine neue, beeindruckende Stimme. «Utama» heisst sein Regiedebüt – ein stilles Drama auf der Anden-Hochebene, das gleichzeitig als universelle Geschichte von den Folgen des Klimawandels kündet.
Utama | Weitere Stimmen
«Atemberaubend, erhaben, von sanfter Melancholie.» – Variety | «Eine visuell berückende Liebesgeschichte aus Bolivien.» – Screen International | «Wie die Fusion eines minimalistischer Sergio-Leone-Westerns mit einer Fotoserie von Sebastião Salgado […] Eine kraftvolle und mahnende Geschichte über das Überleben in einer endlichen Welt.» – The Hollywood Reporter