Die Undine-Sage hat Künstlerinnen und Künstler seit jeher inspiriert, so etwa Friedrich de la Motte Fouqué, Peter Tschaikowski und Ingeborg Bachmann. Mit traumwandlerischer Sicherheit holt Petzold den Stoff jetzt ins Reich des Kinos. Wie bereits in Petzolds letztem Film «Transit» glänzen auch hier Paula Beer («Frantz», «Bad Banks») und Franz Rogowski («In den Gängen») in den Hauptrollen. Ein verzauberndes modernes Märchen in einer entzauberten modernen Welt.
Undine
«Undine» ist die in der Gegenwart spielende Neuinterpretation des Mythos der geheimnisvollen Wasserfrau.
Dem Undine-Mythos verwandte Motive finden sich bereits in der griechischen Mythologie. Die Bezeichnung «Undenae» taucht zum ersten Mal in einer 1566 postum veröffentlichten Schrift von Paracelsus auf: Undine – abgeleitet vom lateinischen unda, «Welle» – ist der Elementargeist des Wassers in menschlicher Gestalt, die die unsterbliche Seele nur durch die Heirat mit einem Menschen erlangen kann. Kommt sie nach der Heirat wieder mit ihrem Elementarreich in Berührung, muss sie auf ewig dorthin zurückkehren. Verheiratet sich ihr Gatte neu, muss er sterben. Paracelsus berief sich dabei auf die französische Melusinen-Sage (12. Jhd.) und die deutsche Stauffenberg-Sage (14. Jhd).
Im 19. Jahrhundert nahm die deutsche Romantik den Stoff wieder auf, u.a. in Arnims «Des Knaben Wunderhorn» (1806–1808). 1811 veröffentlichte Friedrich Baron de la Motte Fouqué die Märchen- novelle «Undine», die Paracelus und Egolf von Stauffenberg als Quellen benennt und ihrerseits Inspiration unzähliger Variationen und Bearbeitungen wird. Goethe lobt den Text, lässt aber durchblicken, er hätte mehr aus dem Stoff gemacht; Lortzing (1816) und E.T.A. Hoffmann (1845) adaptieren den Stoff für die Oper.
Neue Interpretationen zeigen sich in den Märchen von Hans-Christian Andersen (Die kleine Meerjungfrau, 1836) oder Oscar Wilde (Der Fischer und seine Seele, 1891). Edgar Allen Poe übersetzt Fouqués Novelle ins Englische. In Jean Giraudoux’ «Ondine» (1939) lassen die Wassergeister Undines Gatten sterben und sorgen dafür, dass sie sich nicht mehr an ihn erinnern kann. Hans-Werner Henze schuf 1957 das Ballett «Undine», 1961 veröffentlichte Ingeborg Bachmans «Undine geht». Im Kino adaptierte zuletzt Neil Jordan 2009 den Stoff in «Ondine – Das Mädchen aus dem Meer». Für Christian Petzold wurde die Erinnerung an die in Kindertagen gehörte Undine-Erzählung nach der Lektüre von Peter von Matts Buch «Liebesverrat» wieder lebendig.
Zum Film
Das Wasser ist ihr Element. Undine wohnt in Berlin, ist Historikerin und Expertin für Stadtentwicklung. Ihr Leben verläuft in geordneten Bahnen, bis ihr Freund sie aus heiterem Himmel verlässt. Wenn Undines Liebe verraten wird, so heisst es in einer jahrhundertealten Sage, muss sie den treulosen Mann töten und ins Wasser zurückkehren, aus dem sie einst gekommen ist. Undine aber will das alles nicht, sie will nicht gehen. Sie begegnet dem Industrietaucher Christoph, der in der geheimnisvollen Unterwasser-Welt eines Sees arbeitet. Die beiden verlieben sich ineinander – doch Christoph ahnt, dass Undine ein Geheimnis hat…
Stimmen
«Mit Undine plädiert Petzold für ein Wiederentdecken der Poesie. Wenigstens für 90 Minuten im Kino.» – Wenke Husmann, Zeit Online | «Mit ‹Undine› beschert Christian Petzold den herausragenden Franz Rogowski und Paula Beer doch noch die Liebesgeschichte, die ihnen in ‹Transit› verwehrt blieb. Ein herzlicher, ein freudemachender Film – aber dennoch deutlich hinter den Highlights der Filmographie des ‹Phoenix›-Regisseurs.» – filmstarts.de, Björn Becher | «Ein großer Romantiker war Christian Petzold in seinen Filmen schon immer, ein Mann für das Somnambule und die Trancezustände des Kinos, für die Halbwesen und die Gespenster. […] Jetzt mit ‹Undine› ist er ganz im Hier und Jetzt, aber zugleich bei den Elementargeistern, denen er eine ganze Trilogie widmen will, und also bei jahrhundertealten Erzähltraditionen. Da kennt die Romantik natürlich kein Halten mehr.» – Süddeutsche Zeitung, Tobias Kniebe