Film- und Theaterregisseur Amr Gamal hat ein Familiendrama inszeniert, das sich in seinem Freundeskreis zugetragen hat: Ein Ehepaar mit drei Kindern stürzt in eine Krise, als Isra’a wieder schwanger wird. Sie können sich kein viertes Kind leisten, aber ein Schwangerschaftsabbruch ist im Jemen undenkbar. Ein Spielfilm mit authentischem Hintergrund, der ein realistisches Bild der arabischen Republik zeichnet.
THE BURDENED
Ein seltener und sehr bewegender Filmbeitrag aus dem Jemen, der es auf die Berlinale 2023 geschafft hat.
THE BURDENED | Synopsis
Isra’a und ihrem Mann Ahmed fehlen aufgrund des Bürgerkriegs im Jemen die finanziellen Mittel für ein viertes Kind. Deshalb treffen sie die Entscheidung, Isra’as Schwangerschaft abzubrechen. Ein sensibles, gut gespieltes Drama, das einen einmaligen Einblick in ein bei uns wenig bekanntes Land ermöglicht. Es ist der erste jemenitische Langfilm, der je auf der Berlinale gezeigt wurde.
Rezension
Von Rolf Breiner
Seit über zehn Jahren herrscht Bürgerkrieg im Jemen. Massgeblich dafür verantwortlich sind die Huthi-Milizen, die immer wieder in Solidarität mit den Palästinenser:innen auch Attacken gegen Israel und westliche Schiffe im Roten Meer starten. Die Huthi sind mit der Terrororganisation Hamas und dem Regime im Iran verbündet. Das Land mit seinen rund 30 Millionen Einwohner:innen ist infolge der inneren Konflikte völlig verarmt und befindet sich laut EDA in einer der «weltweit schlimmsten humanitären Krisen». Regisseur Amr Gamal gehört einer jemenitischen Familie an und 1983 in Polen geboren. Seine Eltern kehrten nach Aden (Jemen) zurück. Er wurde Regisseur und Theatermacher und drehte 2018 seinen ersten Spielfilm (10 DAYS BEFORE THE WEDDING). Mit seiner zweiten Filmarbeit THE BURDENED wurde er 2023 nach Berlin eingeladen. Es war der erste jemenitische Film, der an der Berlinale aufgeführt und mit dem Amnesty International Filmpreis ausgezeichnet wurde.
Pro-Choice auf Jemenitisch
Isra’a (Abeer Mohammed) und Ahmed (Khaled Hamdan) leben 2019 in der Hafenstadt Aden. Mühsam schlagen sie sich durch den Alltag und tun alles, um ihre drei Kindern durchzubringen. Die soziale Situation ist katastrophal. Ihren Job beim öffentlich-rechtlichen Fernsehen sind sie los. Ahmed schlägt sich als Taxifahrer durch. Eine erneute Schwangerschaft stürzt sie in eine weitere Krise. Die wirtschaftliche Lage lässt nur einen Schluss zu: Abtreibung. Doch ein Schwangerschaftsabbruch ist in der muslimischen jemenitischen Gesellschaft nicht nur undenkbar, sondern auch verboten. Nur wenn das Leben der Mutter gefährdet ist, wäre ein Eingriff erlaubt. Verzweifelt such das Ehepaar Hilfe bei der Ärztin Muna (Samah Alamrani), doch die ist streng gläubig. Sie lässt sich erst überzeugen, als Isra’a das Argument vorbringt, dass nach Beurteilung gewisser Gelehrter das Baby vor dem 120. Tag der Schwangerschaft noch keine Seele besitzt.
Metapher für Zerstörung
Isra’a und Ahmed tragen eine schwere Bürde (worauf auch der Titel anspielt). Sie werden von Schuldgefühlen geplagt, sind Opfer der verheerenden Wirtschafts- und Finanzlage des Jemen. Ihr Alltag ist vom Überlebenskampf geprägt. Filmer Amr Gamal taucht in den Alltag ein – auf dem Markt, in die Gassen und zwischen zerstörte Häuser. Die Unsicherheit, die Gefahr bleiben akut. Militärfahrzeuge patrouillieren, Stromausfälle sind an der Tagesordnung, Kriegsspuren allgegenwärtig. THE BURDENED wirkt wie ein Dokumentarfilm, wie eine Metapher für Zerstörung und Verzweiflung in einem Land, in dem Gewalt, Zwänge, wirtschaftliche Nöte und Machtkämpfe herrschen.
Fazit: Im Familien- und Gesellschaftsdrama THE BURDENED spiegelt sich die katastrophale Lage im Jemen wider. Das Ausmass der Krise, in die das Ehepaar stürzt, lässt einen sprachlos zurück. Der authentische und mutige Spielfilm legt Zeugnis eines ruinösen Landes ab, in dem Gewalt, Zwänge und Zerstörung herrschen.