Rose
Diese Busreise wird so schnell niemand vergessen!
«Rose» stellt eine neurodiverse Frau in den Mittelpunkt seiner Erzählung und leistet somit einen längst überfälligen Beitrag zur Sichtbarkeit dieser Menschen im Kino. Dem dänischen Regisseur gelingt mit seinem Drama ein einfühlsamer, mutiger und unterhaltsamer Beitrag zur Debatte.
Rose | Synopsis
Als Inger ihre Schwester Ellen und deren Mann Vagn auf einen Kurztrip nach Paris begleitet, läuft nicht alles nach Plan. Inger fällt unter den anderen Reisenden auf. Offen erklärt sie ihre psychologische Situation: sie ist schizophren. Dies zeigt sich vor allem in ihrer Unverblümtheit, die nicht allen gefällt. Schnell gerät die Familie zwischen Unverständnis und Vorurteile. Inger verwickelt die kleine Reisegruppe in ihr ganz eigenes Abenteuer, dass sie schon bald vor die Wohnungstür einer verschollenen Liebe führt.
Niels Arden Oplev ist einer der national und international bekanntesten Regisseure Dänemarks. Nach seinem Abschluss an der Dänischen Filmhochschule im Jahr 1989 wurde sein Spielfilmdebüt «Portland» auf der Berlinale 1996 für den Goldenen Bären nominiert. Einige Filme später kehrte er zur Berlinale zurück und gewann 2006 mit «We Shall Overcome» den Gläsernen Bären. Der internationale Durchbruch gelang ihm 2009 mit „Verblendung“, der einen BAFTA für den besten internationalen Film gewann.
Rezension
Von Madeleine Hirsiger
Inger ist eine erwachsene Frau, die in einem Heim lebt. Sie ist psychisch krank und leidet seit langem an Schizophrenie, eine bis heute schwer zu ergründende Krankheit. In Ingers Fall war es wohl das plötzliche Ende einer Liebesbeziehung in Paris, den sie als junge Frau schockartig erlebt hat und der ihr grossen seelischen Schaden zugefügt hat – nur weiss das niemand. 1997 hatte man diese Möglichkeit wohl noch nicht auf dem Radar. Die Geschichte beginnt damit, dass Inger nach Paris fahren will, mit einem alten Brief von ihrem damaligen Liebhaber in der Tasche. Ihre Schwester und deren Mann begleiten sie fürsorglich. Die Busreise wird aber schon bald zur Herausforderung, denn Inger kann gegen alles, was ihr nicht genehm ist, heftig reagieren: Entweder droht sie, jemanden aus der Reisegruppe zu strangulieren, oder sie fragt den nervigen Familienvater, der sie ununterbrochen anstarrt: «Wollen sie mich ficken?» Der findet, diese Frau sei für die Reisegruppe eine Zumutung. Dafür hätten sie nicht bezahlt.
Die Tücken einer Krankheit
Es ist dann aber der junge Sohn, der von Inger fasziniert ist und den wahren Grund ihrer Reise herausfindet. Und es kommt tatsächlich zu einer Begegnung mit Jacques – nach Jahren. Inger erfährt aber auch immer wieder Bewunderung, denn sie spricht fliessend Französisch und kann ihren dänischen Landsleuten so nicht nur bei der Speisekarte behilflich sein. Sie kann eigentlich viel mehr, als sie sich selbst zutraut, wird aber immer wieder von der Krankheit in die Knie gezwungen. «Manchmal bin ich ok, manchmal geht es mir schlecht». Es bleibt offen, ob ihr die Reise nach Paris bei der Verarbeitung des Schocks ein bisschen helfen konnte. Der 62-jährige dänische Regisseur Nils Arden Oplev, der sich unter anderem 2009 mit der ersten Verfilmung von «Verblendung» (dem ersten Band der Stieg Larsson Millennium-Trilogie) auf die Weltbühne gehisst hatte, wartet nun also mit einem kleinen und beinahe schon intimen Film auf.
Fazit: «Rose» führt uns vor Augen, wie schwer ein Leben von Menschen mit einer seelisch und/oder geistigen Beeinträchtigung sein kann. Es hätte dem Film aber gutgetan, wenn das eine oder andere Ereignis ausgelassen worden und die Charaktere etwas weniger plakativ gezeichnet gewesen wären, auch derjenige von Inger. Aber es kann gut sein, dass Subtilität nicht unbedingt zu der Krankheit «Schizophrenie» gehört.